Mein Offizier und Gentleman
uns öfter zu sehen.“
„Das wäre schön. Danke für die Ausfahrt. Ich freue mich auf heute Abend, Harcourt.“
„Ach, Lucy, möglicherweise sehen wir uns doch nicht. Leider fi el mir gerade ein, dass ich wahrscheinlich in einer dringenden Angelegenheit für ein oder zwei Tage aus London fort muss. Sie werden aber bald von mir hören.“
Enttäuscht und bekümmert ging Lucy ins Haus. Sie fürchtete, er könnte verärgert sein und sein Werben einstellen. Schließlich konnte er unter einer ganzen Anzahl junger Damen wählen, die sicher alle ganz entzückt wären.
Wie dumm sie gewesen war! Jetzt, in diesem Augenblick, könnte sie ihrer Schwester berichten, dass sie mit Lord Harcourt verlobt war.
6. KAPITEL
Ein wenig trübsinnig fuhr Lucy mit ihrer Schwester nach der abendlichen Kartenpartie heim, denn Lord Harcourt war tatsächlich nicht erschienen. Seine Gesellschaft hatte ihr gefehlt, und ihr Abschied vom Vormittag belastete sie immer noch. Sie fragte sich, wie es nun weitergehen würde.
„Du bist so still, Lucy, fühlst du dich nicht wohl?“, fragte Marianne.
„Doch, doch.“ Lucy zwang sich zu lächeln „Ich bin froh, dass wir bald heimfahren. Sosehr ich die Saison genossen habe, freue ich mich doch wieder auf das Landleben.“
„So geht es mir auch. Und Drew stimmt mit mir überein. Aber nun, ich habe natürlich in Hampshire meine kleine Familie … Sag, Lucy … hat sich dir niemand … äh … erklärt? Ich dachte eigentlich …“
Lucy wandte den Blick ab. „Ja, sogar mehrere Herren, aber ich … keiner ist mir …“
„Ich dachte an jemanden, den du sehr magst.“
„Oh, ja, natürlich … ich hätte mir denken können, dass du es errätst.“ Mit hochroten Wangen fuhr sie fort: „Ich habe Lord Harcourt wirklich sehr gern, doch wir sind übereingekommen, dass wir einander erst besser kennenlernen wollen.“
„Aha. Hat Mama das von dir verlangt?“
„Sie sagte, sie würde auf einer längeren Verlobungszeit bestehen. Und ich p fl ichte ihr bei. Ich möchte erst mehr über ihn erfahren.“
Marianne sah sie forschend an. „Man hat dir also Klatschgeschichten erzählt.“
„Ja, eine Dame hielt sich für berufen! Sie stellte sich mir als seine ehemalige Geliebte vor und vergaß nicht, zu erwähnen, sie habe sich von ihm getrennt, weil er das Verhältnis mit der Mutter seines Bastards nie lösen werde.“
„Lucy, an deiner Stelle würde ich das alles vergessen. Ein solcher Mann ist Jack Harcourt nicht! Was es mit dem Kind auf sich hat, weiß ich nicht – nicht einmal Drew weiß es. Jack will nicht darüber sprechen. Jedenfalls würde ich solche Gehässigkeiten nicht glauben.“
„Mama hatte mich schon darauf vorbereitet. Weißt du, ich werfe ihm seine Vergangenheit nicht vor. Ich will nur wirklich sicher sein, dass wir zusammen passen.“
„Ich verstehe.“ Marianne staunte, wie sehr sich ihre verträumte kleine Schwester verändert hatte. Sie war eine sehr vernünftige junge Frau geworden. „Du musst wissen, was du willst, Liebes. Nur – wenn du ihn liebst, sei nicht zu kühl. Du könntest es bereuen.“
Leider war Lucy sich nicht sicher, ob sie wusste, was sie wollte. Ihr Herz sagte ihr, dass sie Jack Harcourt bedingungslos liebte, ihr Verstand riet ihr zur Vorsicht.
Als Lucy zwei Tage später von einem Einkaufsbummel heimkam, fand sie ein Bukett mit einem kurzen Gruß von Lord Harcourt vor. Während sie noch sehnsüchtig den Duft der Blumen einsog, kam Marianne herein und rief: „Ach, Lucy, schade, dass du erst jetzt kommst. Jack Harcourt war hier. Er brachte nicht nur deinen hübschen Strauß, sondern er lud uns alle auf seinen Landsitz ein. Stell dir vor, seine Schwester wird einige Wochen bei ihm weilen, und er bittet uns, ebenfalls einige Zeit dort zu verbringen. Auch Mama hat er eine Einladung geschickt, nur weiß ich nicht, ob sie Tante Bertha schon allein lassen kann.“
„Oh, Jack hat eine Schwester?“
„Ja, Amelia – Lady Staunton – sie ist fünf Jahre jünger als er und seit drei Jahren verheiratet, aber ihr Gatte ist Gesandter und oft im Ausland unterwegs. Normalerweise begleitet Amelia ihn, doch sie haben einen zweijährigen Sohn, der das fremde Klima nicht vertrug, deshalb kehrte sie mit ihm nach England zurück. Sie geht, wie Jack sagt, zurzeit nicht in Gesellschaft, aber er konnte sie wenigstens zu dem Besuch in ihrem alten Heim überreden.“
Lucys Herz machte einen Freudensprung. Während der letzten Tage hatte sie sich gefragt, ob sie mit ihrer
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