Mein Offizier und Gentleman
wegen des guten Wetters heute der Tee serviert wurde. „Der Arzt hatte Ihnen doch ein paar Tage Ruhe empfohlen.“
„Ach, bei diesem schönen Wetter halte ich es da nicht aus“, erwiderte Lucy mit gewinnendem Lächeln. „Schelten Sie mich nicht, Amelia. Ich werde auch ganz bestimmt nicht reiten oder lange Wege machen, ehe der Knöchel wieder ganz heil ist.“
„Wie gelang es Ihnen überhaupt, sich so lange auf Firethorne zu halten?“, fragte Amelia. „Den Hengst hätte ich nicht zu reiten gewagt, schon gar nicht, wenn er mehrere Tage nicht bewegt wurde.“
„Nun, er kam mir gleich ein wenig widerspenstig vor“, gab Lucy zu, „wahrscheinlich hätte ich sofort umkehren sollen, aber das verbot mein Stolz. Ich glaube, ich wäre mit dem Hengst gut zurechtgekommen, wenn dieser Fuchs, der aus dem Gebüsch geschossen kam, ihn nicht erschreckt hätte.“
„Sie hatten in all Ihrem Übermut Glück, Lucy, … je nun, in meiner Jugend war ich auch übermütig.“ Ihre Augen verschatteten sich. „Wäre ich nicht so unbedacht gewesen …“ Sie schüttelte den Kopf. „Ach, Lucy, Ende nächster Woche muss ich nach London zurückkehren, wo mein Gatte seinen Wohnsitz hat. Er schrieb mir, dass er mich dort vor fi nden möchte, wenn er in Kürze heimkehrt. Er muss unmittelbar nach meiner Abreise aus Indien ebenfalls aufgebrochen sein. So bald hatte ich mit seiner Rückkehr nicht gerechnet.“
Lucy sah sie mitfühlend an; Furcht, Bedauern und noch etwas anderes, das sie nicht benennen konnte, schienen in Amelia miteinander zu kämpfen. „Sie werden mir fehlen. Wenn Jack und ich erst verheiratet sind, werden Sie uns hoffentlich oft hier besuchen.“
„Falls mein Gatte es erlaubt. Was vielleicht nicht so oft der Fall sein wird – obwohl er wahrscheinlich nichts dagegen hätte, wenn ich Sie in London aufsuche.“
Lucy wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Schon eine Weile hatte sie gespürt, dass Amelia einen geheimen Kummer hegte, und glaubte mittlerweile sogar, in etwa zu wissen, weswegen, doch wagte sie nicht, darauf anzuspielen, denn sie wollte die zukünftige Schwägerin nicht betrüben.
In diesem Augenblick kamen Mrs. Horne und Lucys Schwestern an den Teetisch, und die Unterhaltung wandte sich anderen Dingen zu. Marianne und Drew hatten beschlossen, noch auf Harcourt Place zu bleiben, bis feststand, dass Lucy wieder vollkommen hergestellt war.
„Weiß jemand, wo Jack ist?“, fragte Lucy. „Seit heute Morgen habe ich ihn nicht mehr gesehen.“
„Ich glaube, er ist in Geschäften unterwegs. Drew und Hal begleiten ihn“, erklärte Marianne. „Es handelt sich wohl um ein Pferd. Drew sagte nichts Näheres, nur dass es wichtig sei.“
„Ah, ich verstehe.“ Lucy nickte. Für einen Züchter gab es nichts Wichtigeres als gute Zuchttiere zu erwerben. „Dann werden wir ihn wohl so bald nicht zu Gesicht bekommen.“
„Drew meinte, nicht vor heute Abend“, erklärte Marianne. „Übrigens werden wir euch Anfang nächster Woche verlassen. Jack hat das Dinner, auf dem du seine Nachbarn kennenlernen solltest, wegen deines Unfalls verlegt. Es wird jetzt kommenden Montag statt fi nden, und am Tag darauf reisen wir dann ab. Drew wird langsam ungeduldig, die P fl icht ruft!“
„Ja, das sehe ich ein“, sagte Lucy. „Nächste Woche werden hier auch die Renovierungsarbeiten beginnen; ich denke, kurz danach wird Mama auch heim wollen?“ Fragend schaute sie ihre Mutter an, die zustimmend nickte.
„Wir müssen Vorbereitungen für die Hochzeit treffen. Jack sagte, er wird uns für einige Tage begleiten, doch er muss bald zurück, um die Arbeiten hier zu überwachen.“
„Steht der Hochzeitstermin schon fest?“, fragte Jo, während sie bedeutungsvoll eine Hand auf ihren Bauch legte. „Schiebt es nicht so lange auf, sonst kann ich nicht mehr teilnehmen.“
„Vielleicht in zwei Monaten …“ Lucy sah ihre Mutter an.
„Warum so lange?“, wollte Jo wissen. „Ich dachte, ihr würdet das Aufgebot bestellen, sobald Mama und du wieder daheim seid.“
„Ich weiß nicht …“ Abermals sah Lucy ihre Mutter an. „Ich habe mit Jack noch nicht darüber gesprochen.“
„Dann beeil dich, sonst werde ich die Hochzeit meiner kleinen Schwester verpassen“, drängte Jo.
Wieder lugte Lucy zu ihrer Mutter hinüber. Doch Mrs. Horne schwieg. Während ein anderes Thema angeschnitten wurde, grübelte Lucy vor sich hin. Sie hatte für sich entschieden, dass nichts sie und Jack noch trennen konnte, also gab es keinen
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