Mein Offizier und Gentleman
als du dir vorstellst – und wenn sie auch selten laut wird oder zankt, gelingt es ihr dennoch meistens, ihren Willen durchzusetzen.“
Nachdenklich sagte er: „Ich glaube, ich muss dir zustimmen, obwohl ich noch nicht so weit gedacht hatte.“
Lächelnd entgegnete sie: „Wir alle haben sie verwöhnt, Jack, auch du, und trotzdem konnte das ihre süße Wesensart nicht verderben. Übrigens sagte sie nicht, worüber ihr gestritten habt, doch ich hoffe, du wirst die Sache ausräumen.“
„Bestimmt“, versprach er, „und nun entschuldige mich, ich möchte sie besuchen.“
Er nickte Jo kurz zu und lief dann die Treppe hinauf zu Lucys Zimmer. Nachdem er geklopft hatte, lugte er durch den Türspalt und sah, dass sie im Bett saß, den Kopf an die Kissen gelehnt. Sie hielt die Augen geschlossen.
Als er fragte: „Darf ich eintreten?“, schlug sie die Lider auf und sah ihn an.
„Ach ja, bitte. Ich muss dich um Verzeihung bitten, weil ich mir dieses Pferd geben ließ. Es ist ihm hoffentlich nichts passiert?“
„Nein, aber wenn du getötet worden wärest, hätte ich es, glaube ich, erschossen!“, sagte Jack heftig.
„Ach, das arme Tier!“, rief Lucy entsetzt. „Es zu reiten hat mir solchen Spaß gemacht, aber dann kam dieser Fuchs! Der Hengst erschrak, und ich reagierte nicht rasch genug. Für mich ist er wohl doch etwas zu kraftvoll. Trotzdem möchte ich wieder reiten, Jack – erlaubst du es?“
„Sagte ich nicht, dass ich dir nichts abschlagen kann? Solange du dich nicht in Gefahr bringst! Lucy, ich hatte solche Angst. Als ich merkte, dass er dich abgeworfen hatte, dachte ich, du seist tot.“
„Es tut mir leid, dass ich euch allen solche Sorgen bereitet habe. Weißt du, ich war unruhig und wollte dich unbedingt fi nden, mit dir reden. Ich habe mich sehr schlecht benommen! Nie hätte ich dich … dich der Lüge bezichtigen dürfen …“ Sie brach ab und knetete verlegen die Bettdecke. „Nur musste ich feststellen, dass ich sehr besitzergreifend bin und dich mit niemandem teilen möchte.“
Jack lächelte reuig. „Weil du bist, wie du bist, liebe ich dich so sehr, meine teuerste Lucy. Du sollst niemals unterwür fi g und ergeben sein, vertrauen jedoch musst du mir. Zurzeit bin ich nicht berechtigt, dir alles zu erzählen, doch bitte glaube mir, dass ich dich nicht hintergehe.“
„Ach, Jack, ich will dir ja glauben! Es war dumm von mir, auf Rosa zu hören. Sie behauptete, sie sei Anthonys Mutter und du liebtest sie und wolltest mich nur deiner Familie zuliebe heiraten.“
„Rosa ist nicht seine Mutter, und sie war nie meine Geliebte. Mehr darf ich dir leider nicht sagen, Lucy. Aber du kannst unmöglich glauben, dass ich dich nur aus gesellschaftlichen Gründen um deine Hand bat!“
„Ach, ich war so töricht, nicht wahr?“ Zaghaft lächelte Lucy ihn an. „Kannst du mir verzeihen?“
„Ich bin der Schuldige. Ich ließ sie hier wohnen, weil ich versprach, für den Jungen zu sorgen. Ich hätte sie längst fortschicken müssen. Ich wünschte nur, es wäre mir erlaubt, dir die Zusammenhänge zu erklären! Lucy, ich schwöre, ich liebe dich! Wirst du mir glauben? Natürlich hatte ich schon Geliebte, aber seit ich dich kenne, gibt es keine andere Frau für mich – und es wird nie eine andere geben, solange du mich willst, meine Liebste!“
„Ach, Jack …“ In Lucys Augen brannten Tränen. „Ich liebe dich so sehr, und ich weiß nicht, wie du ein so törichtes Mädchen lieben kannst.“
„Nein, mein Liebling?“ Jacks Stimme war heiser vor verhaltener Leidenschaft. „Wenn du wüsstest, wie schwer es mir gefallen ist, hier brav neben dir zu sitzen, anstatt zu dir ins Bett zu kommen und dich zu umarmen, würdest du nicht solchen Unsinn reden! Du glaubst nicht, wie sehr ich in den letzten Tagen gelitten habe.“
Lucy lachte leise, und ihre Augen blitzten vergnügt. „Ich liebe dich, Jack. Wenn doch Mama nachgäbe und uns früher zu heiraten erlaubte!“
„Sie war schon so großherzig, mich nicht für deinen Sturz verantwortlich zu machen, obgleich ich mich schuldig daran fühle. Allerdings hat sie mitbekommen, wie betrübt du warst, und wird vielleicht ihre Meinung deshalb nicht ändern wollen.“
„Oh, ich weiß nicht“, meinte Lucy ein wenig zweifelnd. Natürlich hatte Jack mit seiner Bemerkung recht. Plötzlich kam ihr etwas anderes in den Sinn, und sie fragte rasch: „Sag, Jack, sahst du ihn? Den Mann, der mir zu Hilfe kam?“
„Ja, als ich dich fand, kniete er neben dir, doch
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