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Mein Onkel Ferdinand

Mein Onkel Ferdinand

Titel: Mein Onkel Ferdinand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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fern hörte.
    »Laß ihn doch kommen«, sagte ich. »Erstens habe ich Gertrud so viel von Onkel Ferdinand erzählt, daß sie sicherlich neugierig ist, ihn persönlich kennenzulernen, und zweitens habe ich es eigentlich ihm zu verdanken, daß ich Gertrud überhaupt kennengelernt habe. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich euch vielleicht später einmal erzählen werde.«
    »Dann also...!« seufzte meine Mutter und faltete schicksalsergeben die Hände.
    Aber da war Onkel Ferdinand auch schon ins Zimmer gestürmt, so dick und muskelstrotzend, daß man das Gefühl hatte, die Luft im Raum stände plötzlich infolge des Volumens, das er verdrängte, unter höherem Druck. An der linken Brustseite wölbte sich der Cutaway vor, als hätte er versehentlich anstatt der Brieftasche einen Band vom Großen Brockhaus erwischt und eingeschoben.
    »Eine Verlobung? Bravo! Und gerade beim Kirsch? Noch bravöser!« dröhnte er. Es waren die alten Sprüche. Allzuviel Neues fiel ihm nicht mehr ein. »Meinen Glückwunsch, Mathilde, gratuliere, Schwager Georg!« Und zu uns beiden, da Gertrud vor so viel Männlichkeit in einem einzigen Anzug erschreckt zu mir geflüchtet war: »Euch beiden alles Gute, liebe Kinder! Und macht mir keine allzu lange Brautzeit, denn dabei kann es nur peinliche Überraschungen geben. Was hast du bloß, Mathilde? Weshalb trittst du mir andauernd auf den Fuß?!«
    Er breitete die Arme aus, tun Gertrud an seine Brust zu ziehen, aber ich ging dazwischen und holte eine seiner Hände herunter: »Schönen Dank, Onkel Ferdinand, nett von dir, daß du auf einen Sprung heraufgekommen bist, um uns zu gratulieren.«
    Er gab mir mit der freien Linken einen kräftigen Stoß vor die Brust: »Donnerwetter, Hermann, das nenne ich Geschmack! Du hast dir da ein Bräutchen ausgesucht, daß einem das Wasser im Munde zusammenläuft!« Er zog mich beiseite und flüsterte — aber sein Flüstern war bis in die Küche zu verstehen: »Das ist der richtige Trost für ein gebrochenes Herzl Nun, was habe ich dir gesagt, Hermann? Auch andere Mütter haben hübsche Töchter... Und Respekt vorm Dampfschiff! Die hübscheste hast du dir ausgesucht!«
    Der Magen konnte sich einem bei diesen Sprüchen umdrehen. Ich nickte Gertrud zu: »Also das, Liebling, ist mein Onkel Ferdinand.« Und mit der Hand auf Gertrud deutend, sagte ich zum Onkel: »Und das ist Gertrud Drost!«
    »Jetzt werde ich glatt verrückt!« schrie Onkel Ferdinand und schlug sich vor die Stirn, daß es einen Ochsen umgehauen hätte. »Da hat der Bengel es doch wahrhaftig fertiggekriegt, unserm Freund Murchison das Mädel auszuspannen!«
    »Ferdinand!« sagte meine Mutter leise, aber mit einer furchtbaren Stimme, »wenn du dich hier weiter wie in einer Matrosenkneipe benehmen willst...!«
    Mein Vater aber goß rasch einen doppelten Kirsch in eines der Gläser und drückte es Onkel Ferdinand in die Hand, und um die peinliche Situation zu überspielen, fragte er Onkel Ferdinand nach dem Gang seiner Geschäfte. Es war eine Frage, auf die Onkel Ferdinand gewartet zu haben schien.
    »Geschäfte?« dröhnte er. »Sie gehen wie geschmiert!« Und er griff dorthin, wo sich der Cutaway über seiner mächtigen Brust wölbte, zog seine Brieftasche heraus und holte aus ihr, die bis zum Platzen gefüllt war, ein respekteinflößendes Banknotenbündel heraus. Wenn es auch nur Zwanzigmarkscheine waren, die er vor uns mit einem lauten Knall auf die Tischkante schlug, so mußte es sich doch um eine ganz beträchtliche Summe handeln.
    »Und das willst du alles verdient haben?« fragte meine Mutter ungläubig. Sie sah Onkel Ferdinand an, als erwarte sie, sein Bild demnächst wegen eines Bankraubes auf den Litfaßsäulen zu finden.
    »Ich habe es auch nicht für möglich gehalten«, sagte mein Vater mit dem gleichen ungläubigen Gesicht, »daß dein Geschäft so einträglich sein könnte...«
    »Nichts gegen das alte, brave Institut Greif!« trompetete Onkel Ferdinand und kippte den Schnaps hinter die Binde, »das ist ein flottes Pferdchen, das seinen Reiter trägt. Aber ich habe den ganzen Stall verkauft, weil mir der Betrieb auf die Dauer zu anstrengend wurde. Ja, Kinder, ich bin unter die Fabrikanten gegangen. Graser & Co. heißt die Firma, die wir gestern gegründet haben. Und der Co. darin bin ich. Ganz bescheiden und zurückhaltend im Hintergrund, wie es nun einmal meine Art ist.
    Aber — ohne unbescheiden zu sein — doch so etwas wie die Seele des Unternehmens. Die Seele und das

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