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Mein perfekter Sommer

Mein perfekter Sommer

Titel: Mein perfekter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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über Steine und Furchen und herumliegende Äste gerumpelt ist, gibt er schließlich auf. Ein Rad saust ins Unterholz ab und er kippt um und verreckt an Ort und Stelle  – am Straßenrand. Ich stoße ein feuchtes Wimmern aus. Ich bin nass und müde und alles, was ich jetzt will, ist eine heiße Dusche, eine anständige Mahlzeit und  – oh Gott  – ein Klo.
    Endlich höre ich Motorengeräusche in der Ferne, so was wie einen Umwelt verpestenden Engelschor. Ich befreie mich mühsam von meinem Rucksack und drehe mich gerade noch rechtzeitig um, als ein Matsch bespritzter Pick-up vom Highway Richtung Stadt heranbraust. Mein Herz macht einen Freudensprung. Ich weiß, trampen steht ganz oben auf der Liste Riskantes Verhalten, das tödlich (oder Schlimmeres) für junge Mädchen ist, aber ich glaube, das wird noch getoppt von allein durch den Wald wandern. Ich mach einen Schritt auf die Straße, damit ich auch ganz bestimmt gesehen werde, wedele mit den Armen und hüpfe praktisch auf der Stelle, um die Aufmerksamkeit des Fahrers auf mich zu lenken.

    Das Auto rast vorbei.
    Als ich dann in seinem matschigen Kielwasser stehe, wird mir klar, dass die Medien mich all die Jahre belogen haben: Kleine Städte sind nicht voll von gastfreundlichen, bodenständigen Leuten, die nur so bersten vor Familiensinn und Güte, das sind egoistische, herzlose Leute, die junge Mädchen am Straßenrand stehen lassen bis sie zugrunde gehen an …
    Noch ein Pick-up.
    Dieser kommt aus der Stadt und wendet ungeschickt auf der Straße, ehe er Split spritzend neben mir zum Stehen kommt. Das Fenster geht runter, wütende Emo-Musik dröhnt nach draußen und das maulige Gesicht eines Mädchens taucht auf. Sie könnte etwa so alt sein wie ich, ihre blasse Haut wird fast völlig von einem Vorhang strähniger schwarzer Haare verdeckt  – die Art Schwarz, die man mit billigem Zeug aus dem Drogeriemarkt färbt und die alles Licht und alle Freude in ihren schwarzen Strudel zieht. (Ich kenn mich aus mit solchen Sachen. Livvy hat einige üble, selbst verschuldete Farbexperimente hinter sich, und so manchen Abend habe ich damit zugebracht, ihr mit Peroxyd und Gummihandschuhen zu Hilfe zu eilen und rückgängig zu machen, was auch immer sie aus einer Laune heraus an interessanten Farbkombinationen ausprobiert hatte.)
    »Ich bin Fiona.« Das Mädchen seufzt. Pause. »Also?« Ungeduldig zeigt sie auf die Beifahrerseite und endlich fällt der Groschen und ich kann ihren Namen einordnen.
    Die Stieftochter.

    »Fiona, hi!« Trotz der Flappe ist sie im Handumdrehen zu meinem liebsten Menschen auf dem ganzen Planeten geworden. Ich hieve mein Gepäck auf die Ladefläche des Autos und lasse mich dankbar neben ihr auf den Beifahrersitz fallen. »Du glaubst ja gar nicht, wie froh ich bin, dich zu sehen.«
    »Ach was«, murmelt sie.
    »Ich hab Susie den richtigen Busfahrplan geschickt, aber vielleicht war der ja nicht mehr gültig oder so. Ich fing gerade an mir Sorgen zu machen …«
    Fiona beugt sich rüber, dreht die Stereoanlage wieder voll auf und erstickt meine Stimme mit Schlagzeug und einem heulenden Gitarrensolo.
    Okaaay.
    Schweigend bleibe ich dann die nächsten Minuten neben ihr sitzen, bis ich durch den Wald hindurch die Umrisse von Häusern ausmachen kann. Meine Aufregung ist wieder da. »Lebst du schon lange in der Stadt?« Ich kann nicht anders, ich muss sie einfach fragen, auch über die jammernden Todesschreie hinweg. »Kann man hier in der Gegend viel machen?«
    Susie hat mir nicht viel über Stillwater erzählt. Die Stadt hat es nicht zu einem Wikipedia-Eintrag bringen können, aber in den kurzen Beschreibungen auf Tourismus Websites war von einer »rauen, zerklüfteten Wildnis« die Rede. Nicht erwähnt wurde dort allerdings, ob es ein Café oder einen Biosupermarkt gibt.
    Fiona verdreht die Augen. »Finde es selbst raus.«

    Ich guck wieder aus dem Fenster. Wir biegen in das ein, was euphemistisch als Main Street bezeichnet wird: ein breiter, von Bäumen und Gebäuden gesäumter Streifen mit einer kleinen Kirche an einem Ende und den dreckigen Pumpen der hiesigen Tankstelle an der anderen. Eine einzige, sinnlose Verkehrsampel ist mitten auf der leeren Straße gestrandet und eine kanadische Flagge flattert neben dem Kirchturm, ein rotes Flackern vor den grauen Bergen darüber.
    »Ist das … alles?«, frage ich und mein Mut sinkt. Ich hatte eine Kleinstadt erwartet, aber das hier ist richtig klein. Ich zähle eine Handvoll verlassener Läden,

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