Mein perfekter Sommer
öfter gemacht – allein«, fügt sie mit einem Blick hinzu, der keinen Zweifel daran lässt, dass sie auch dieses Mal lieber solo wäre.
Ist mir schnuppe.
Nach zehn Tagen bin ich fast schon immun gegen ihr Dramaqueen-Gezicke. Keine Ahnung, ob es die endlosen bösen Blicke oder das fünfhundertste gequälte Seufzen war, aber ich hab endlich begriffen, dass ich nichts tun oder sagen kann, was Fiona veranlassen würde, mich zu mögen – ich brauch mich also nicht anzustrengen. Stattdessen habe ich einen neuen Plan.
Je weiter ich mich durch Jeremiahs grummelige Ratschläge
über Jagen, Schießen und Fischen gelesen habe, desto deutlicher ist mir geworden, dass ich vielleicht nicht mal hinaus in die Wildnis muss, um dieses Know-how sinnvoll anzubringen. Wenn dieser Abschnitt über Tiere und ihr Habitat auf Fiona ebenso gut passt wie auf einen Grizzlybären, dann wette ich darauf, dass der Rest genauso – äh – sagen wir mal fantasievoll verwertbar ist. Ich werde also tun, was Jerry (so nenne ich ihn gern) verlangt, und für eine entsprechende Ausrüstung sorgen. In seiner Version geht es um furchterregende Jagdmesser, Plastikplanen und Thermounterwäsche, aber ich hab jetzt eine Vorstellung. Alle Versuche, mit den Jungs von Stillwater eine Beziehung aufzubauen, indem ich mich für ihre Outdooraktivitäten interessiere, sind zum Scheitern verurteilt, solange ich in Flip-Flops hinter ihnen her dackele. Ich brauche ein ernst zu nehmendes Paar von diesen klobigen, wasserdichten Wanderschuhen.
»Hier, Jenna, Proviant für unterwegs.« Susie reicht mir einen Tupperbehälter mit Karottenmuffins. Seit ich vorgeschlagen habe mit Fiona in die Stadt zu fahren, strahlt sie von einem Ohr zum anderen – und nicht, weil sie so froh ist, ihre Stieftochter mal loszuwerden, glaube ich. Susie möchte, dass wir beste Freundinnen werden.
»Wir kommen schon zurecht«, versichere ich ihr, aber sie umarmt mich zum Abschied, als würden wir eine lange Reise über den Kontinent antreten. Fiona sitzt schon auf dem Fahrersitz, also prüfe ich noch mal, ob ich das Wesentliche dabei habe: iPod, Kabel, Kopfhörer, den Wildnisratgeber –
und steige ein. Ich hab kaum Zeit, die Tür zuzuknallen und zu versprechen, Susie bei allen wichtigen Ankünften und Abfahrten anzurufen, da tritt Fiona auch schon das Gaspedal durch und hinterlässt nur noch eine Staubwolke.
»Wir sollten an der Tankstelle halten, wie dein Dad gesagt hat«, sage ich, während ich Werkzeuge und alte Verpackungen auf den Rücksitz schaufele. »Da können wir gleich noch ein paar Snacks nachladen. Ich werde reichlich Koffein brauchen für meine Schichten beim Fahren.«
»Wer sagt denn, dass du fährst?«
»Was?« Ich lache. »Hör mal, Fiona, hin und zurück sind das zwei Mal zwei Stunden.«
Doch offensichtlich ist Fiona ein abgebrühtes Pistenschwein, denn sie ignoriert mich, rast wie auf einer Rennbahn über die sich windende Landstraße und hält dann vor den Tanksäulen mit einem Ruck an. Fairness und die gerechte Verteilung der Lasten beim Fahren spielen hier echt keine Rolle, ich muss ans Steuer, schon allein, um ein Schleudertrauma zu vermeiden.
»Du kannst ihn volltanken«, bietet sie mir großzügig an und reicht mir die Kreditkarte. »Und hol Doritos, die mit Käse.«
»Aber klar.« Ich springe aus dem Auto und gehe in das klimatisierte Gebäude, da besorge ich ihr das Junkfood ihrer Wahl, ehe ich mir ansehe, was es zu trinken gibt. Wie mein neuer Guru sagt, wenn man in ein Gewitter gerät, ist es das Beste, Schutz zu suchen und zu warten, bis es vorbei ist, statt sich in eine schlimmere Lage zu bringen, indem man
dagegen ankämpft. Und Fiona ist nun mal eine Naturgewalt.
Mit einem Arm voller Cola light, Red Bull und Eistee rempele ich vor der Kasse jemanden an. »Sorry«, sage ich, aber da ich die Tüte Chips zwischen den Zähnen habe, kommt das nicht so deutlich rüber.
»He, kein Problem.« Der Gerempelte lacht, hilft mir alles auf dem Tresen abzuladen, und dann seh ich erst, wer es ist.
»Oh, hi, Ethan.« Mein Gruß klingt eher zögernd als froh. Seit dem Kajakdesaster hab ich ihn nicht mehr gesehen, ich mache mich also gefasst auf eine Bemerkung über meine Angst vorm Dunkeln/schlechte Balance/mädchenhafte Schwäche, aber er guckt nur auf meine Ladung Junkfood.
»Hungrig?« Seine Sportsonnenbrille hat er sich auf den Kopf hoch geschoben, der dunkle Pony wirkt wirr und stachelig und er trägt ein dunkelblaues T-Shirt mit einem
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