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Mein perfekter Sommer

Mein perfekter Sommer

Titel: Mein perfekter Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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demselben dichten Wald, der sich bis runter an den See zieht. Sieht ganz schön weit aus, finde ich.
    »Hey.« Reeve geht neben mir her, Fiona und Grady bleiben ein Stück zurück.
    »Hi«, sage ich. Eloquent, ich weiß, aber Reeve scheint ebenso gesprächig zu sein wie ich. Einträchtig im Schatten des Waldes wandernd schweigen wir. Sonnenstrahlen fallen durch die hohen Kiefern. Die Luft ist heiß und stickig, ziemlich bald ziehe ich meine Strickjacke aus und binde sie mir um die Hüfte.
    »Hoffentlich gibt es nicht noch Gewitter.« Reeve schaut in den klaren blauen Himmel hinauf. Ich lache.
    »Im Ernst? Es hat die ganze Woche nicht geregnet.«
    »Genau.« Er lächelt mich auf diese verhaltene Art an, die typisch für ihn ist, bei der nur die Mundwinkel minimal in die Höhe gehen. Die Art, bei der ich erschauere. »Die können sich anschleichen.«

    »Oh …« Ich verstumme wieder, mir fällt rein gar nichts Interessantes ein, das ich sagen könnte. Also unterdrücke ich ein Seufzen. So war das nicht immer, das weiß ich, ich hatte mich schon ganz wohlgefühlt in seiner Nähe, konnte einfach so abhängen wie mit Ethan. Aber jetzt? Sogar einfache Sätze scheinen mit Gefahren behaftet zu sein.
    »Und  – äh  – wie steht’s denn so mit der Pension? Heute sah’s da richtig gut aus.«
    »Ja!« Schnell erzähle ich ihm die guten Nachrichten von der Buchung. »Das darf ich nicht vergessen …« Ich hole die Kamera heraus und mache ein paar Aufnahmen vom Wald. Und dann auch noch so ganz nebenbei einige von Reeve. Mir scheint, ich muss Olivia so viel Bildmaterial wie möglich liefern, wenn ich ihr von ihm erzähle. Vorausgesetzt, ich erreiche sie noch mal.
    Reeve steckt die Hände in die Taschen und guckt verlegen weg, aber sobald ich die Kamera wieder eingepackt habe, schaut er wieder zu mir hin. »Ich hätte nicht gedacht, dass du bei dem Tourismusprojekt mitmachen würdest«, sagt er und kickt dabei einen Stein vor sich her. »Denn du bist doch eigentlich dagegen, oder?«
    »Wie meinst du das?«
    »Na, du weißt schon, Touristen, die diese perfekte Wildnis kaputt machen«, sagt er. »All diese Autos mit ihren bösen, bösen Abgasen …«
    »He!« Ich kapiere, dass er mich aufzieht.
    »Was? Das ist doch dein Ding, was? Umweltschutz?«
    Ich zucke mit den Schultern. Im Vorbeigehen reiße ich
ein Blatt von einem Zweig, das ich zerfetze. »Nun, ja, aber nicht, wenn du das so sagst.«
    »Und wie würdest du das denn sagen?« Reeves Ton ist noch immer leicht, aber ich hab das Gefühl, in dieser Frage schwingt mehr mit, als er durchblicken lässt.
    Meine Antwort wäge ich sorgfältig ab. Von Anfang an war das ein heikles Thema zwischen uns, und wenn das hier eine Prüfung sein soll, dann will ich sie bestehen.
    »Ich finde nichts verkehrt daran, Leute wissen zu lassen, wie schön es hier ist, und wir machen ja Dinge für den Umweltschutz, zum Beispiel Recyceln.« Meine großen Ideen zu kostspieligen Renovierungsmaßnahmen mögen ja unrealistisch gewesen sein, aber mit jeder Menge kleiner Sachen haben wir den Schaden gering halten können. »Damit will ich sagen, die Pension bekommt Gäste, die Geschäfte in der Stadt machen mehr Umsatz, jeder gewinnt. Obwohl es mir lieber wäre, wenn die Leute nicht in riesigen Geländewagen durchs Land fahren würden.« Das konnte ich mir nicht verkneifen.
    Er schmunzelt und ich seufze erleichtert.
     
    Bald biegen wir von der Straße ab in den Wald am Fuß des Berges. Das Gelände ist zu steil, man kann nicht einfach geradeaus nach oben klettern, deshalb folgen wir einem breiten, im Zickzack verlaufenden Pfad, der einmal diagonal über die volle Breite des Gipfels verläuft, bevor er jedes Mal ein Stückchen höher wieder zurückführt. Als wir etwa auf der Hälfte des Aufstiegs Rast machen, tun mir die Oberschenkel weh und ich schwitze wie verrückt.

    »Nur ein großer Hügel, was?«, sage ich zu Fiona und nehme einen großen Schluck Saft.
    Irgendwie ist sie kaum außer Atem. »Heul nicht rum.«
    »Reizend.« Ich zögere und gehe an den Rand der Lichtung. Das Tal dehnt sich aus, so weit das Auge reicht. Stillwater ist nur ein kleiner Haufen winziger Häuser und die Main Street ein dünnes Band, das sich zum breiteren Band des Highway schlängelt. Ich komme mir ganz klein vor.
    »Das da oben ist Blue Ridge.« Reeve zeigt auf eine Ansammlung von Pseudo-Holzhütten, die über einen Bergkamm in der Ferne ragen. »Die haben eine ganz neue Straße gebaut, die vom Highway abgeht, nur

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