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Mein Sanfter Zwilling

Mein Sanfter Zwilling

Titel: Mein Sanfter Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nino Haratischwili
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Schweiß von der Stirn und lachte, frei, so losgelöst, so sorglos, und ich war erleichtert über seine Leichtigkeit. Wir lachten und lachten, und ich wusste nicht mal, worüber. Ich sah zu Salome hinüber, die sich in einen Liegestuhl hatte fallen lassen, und sah, dass auch sie lachte. Ich sah ihre kleinen Fältchen um die Mundwinkel herum tanzen, ihre dunklen Augen strahlen, sah ihre Nase sich in Falten legen und die Grübchen in ihren Wangen sich vertiefen, und ich freute mich.
    Die Sterne funkelten am Himmel, Tausende kleiner Glühwürmchen. Auch sie schienen die Freude des Abends aufzunehmen, wie sie über dem dunklen Meer glitzerten, das sich endlos vor uns erstreckte, und so war die ganze Welt für einen kurzen Augenblick in Glück getaucht. Weil ich glücklich war und es spürte mit jeder Pore meiner Haut. Ich war glücklich hier, selbstvergessen, alles vergessend, mit diesen Menschen, die so fremd und gleichzeitig doch so nah waren. Ich zerzauste Ivos dichtes Haar und schaute Lado zu, der mit einem der Bekannten einen improvisierten Säbeltanz hinlegte. Salome legte sich die Handinnenflächen auf die Wangen, die vor Freude und Wärme glühten.
    – Was meinst du, können die Fische da draußen die Musik hören?, fragte ich Salome.
    Salome begann wieder zu kichern, diesmal verhaltener, aber immer noch mit der Albernheit eines Vorschulkindes.
    – Nur Stella kann auf solche Fragen kommen, sagte Ivo und schloss sich dem Gekicher an.
    – Na ja, schließlich stören wir jetzt ihre Nachtruhe!
    – Eine sehr deutsche Feststellung, meinte Salome und zwinkerte mir zu.
    Der Bungalow machte dicht, und wir zogen weiter. Die Sonne ging auf. Ivo hatte den Arm um mich gelegt, und wir schlenderten den Strand entlang, die Steine waren kalt, und ich hielt meine Sandalen in der Hand. In der Ferne sah man Schiffe, ein paar Lichter funkelten einsam im Wasser. Die Möwen kreischten, und die kleinen weißen Häuser an der Strandpromenade wirkten harmonisch und verschlafen an diesem sorglosen Morgen.
    Bubas Kopf lag auf meiner Schulter, als wir mittags die steile Straße aus der Stadt fuhren, durch den langen Tunnel, der uns zu unserem verschlafenen Dorf führte. Ich berührte mit meinem Kopf seinen, sein dickes schwarzes Haar und hörte ihn langsam, rhythmisch atmen. Ich roch den salzigen Geruch seiner Haut. Ich berührte seine Schläfen mit meinen und erinnerte mich an Theo, als er noch ein Baby war und ich ihn zu mir ins Bett nahm, obwohl Mark das nicht wollte.
    Wie er dann anfing, auf mir herumzukrabbeln und mich anzulachen. Wie er dann einschlief, an meiner Brust, und wie ich fassungslos angesichts dieses wundervollen Wesens, das aus meinem Körper herausgekommen war, mit einem gewaltigen Schrei sich der Welt ankündigend, starr dalag, aus Angst, sein perfektes Glück zu stören, wenn ich mich bewegte und ihn aufweckte. Vielleicht sind das die Momente, die letztlich die Fäden zusammenhalten, die Geschichten, die man erzählen sollte, und nicht die Schlachten, nicht, wer die Welt gewonnen und verloren hat, nicht die kulturellen Umbrüche, die Revolutionen, die Krieger und Helden, die Könige und die Königinnen, die Herrscher und die Tyrannen. Nein, vielleicht sollte man in der Schule erzählt bekommen, wie man das erste Mal gelacht hat, das erste Mal geschrien hat, wie sich der erste Kuss anfühlte. Vielleicht sollte man darüber sprechen und sich an solche Augenblicke erinnern wie jenen, als Buba an meiner Schulter eingenickt war und ich dabei Glück und Geborgenheit empfunden hatte.
    Später lag ich neben Ivo, der einen leichten Mittagsschlaf schlief, und betrachtete ihn. Sein Gesicht, seinen Körper, ich versuchte meinen Atem seinem anzugleichen, betrachtete seine Fingernägel, so kurz geschnitten, dass es schon beim Anblick wehtat, seine Lippen, sein unrasiertes Kinn, seine Ohrläppchen, seine Nasenflügel, seine Stirnfalten, seinen Bauchnabel, und ich dachte, dass ich ihn mir für immer einprägen, mich immer daran erinnern wollte, an alles, was ihn zu dem machte, der er war. Dass ich ihm sagen wollte, wie es sich anfühlte, seine Leber in meinem Bauch zu haben, seinen rechten Lungenflügel, seine linke Herzklappe, wie es war, einen Zwilling zu haben. Und ich wollte ihm sagen, dass ich es nie bereut habe, alles mit ihm geteilt zu haben, auch wenn es manchmal schwer gewesen ist und mir manchmal meine eigene Luft, mein eigener Herzschlag und mein Puls gefehlt haben – aber es hat nichts gemacht, es hat überhaupt nichts

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