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Mein Schutzengel ist ein Anfaenger

Mein Schutzengel ist ein Anfaenger

Titel: Mein Schutzengel ist ein Anfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximilian Dorner
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uns gegen diese Übergriffe wehren, wenn jemand kommt, um uns zu trösten. Sie wegen des Rollstuhls oder mich. Dass die Welt doch so schön wäre. Diese Leute wollen uns ihren Schmusetrost ja nur aufzwingen, damit wir die Schwächeren sind. Einlullen wollen sie uns, bis wir uns ergeben. Damit sie selbst besser schlafen können.«
    Wie Recht sie doch hat. Oft genug hat Max erlebt, wie Mitleid und missglückte Trostversuche ein unerträgliches Gebräu ergaben. Auf diesen Beistand kann er gut verzichten. Gegenseitig beglückwünschen Sophie und Max sich, den Tröstern auf die Schliche gekommen zu sein.
    Sie setzt nach: » Haben Sie schon mal drauf geachtet, wie viele Tröster sich hauptsächlich selbst trösten? Sie wollen dich und das Leid kleinhalten mit ihrem Trost. Reine Selbstgefälligkeit ist das, wenn einer sagt: Ist doch alles nicht so schlimm. Weiß der denn, wie schlimm es für einen ist?«
    » Sie wollen alles Leid wegzuckern.«
    » Zurechtrücken, verkleinern, wegschrumpfen. Weil es ihnen die Sicht auf ihr rosarotes Häuschen versperrt.«
    » Und den Vorgarten mit den Rosen. Und den Zaun.«
    Sie schweigen eine Weile.
    Schließlich sagt Sophie: » Wissen Sie was, das hat mir jetzt richtig gutgetan.«
    Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen? Charlotte, Tom, Sophie – und nicht zuletzt du. So verschieden und doch so gleich: Ihr könnt kaum mehr aufrecht stehen vor lauter Leid und verwechselt dennoch ununterbrochen Trost mit Trotz.
    Wie könnt ihr Trost nur so leichtfertig von euch weisen? Etwas für Kinder, meint ihr. Und verschränkt genau wie diese die Arme trotzig vor der Brust. Als wäre er eine besonders heimtückische Art der Freiheitsberaubung. Ihr glaubt, mit Zynismus ausreichend geschützt zu sein. Aber der wärmt nicht auf dem Weg nach unten.
    Höchstens Liebeskranken gesteht ihr Trostbedürftigkeit zu, aber für euch, die wirklich Leidenden, wäre das nichts. Aber heimlich sucht ihr ihn dann doch wie Raucher eine am Vorabend versteckte Zigarettenschachtel.
    Und wenn ihr euren aus Büchern oder Kinofilmen zusammengerafften Billig-Trost im Klo geraucht habt, spült ihr die Kippe hinunter. Spricht euch jemand auf eure muffige Kleidung an, redet ihr euch heraus, indem ihr dem Trost neue Namen gebt. Auf einmal heißt er dann Zuwendung, Nähe, Vertrauen – lauter unverfängliche Worte, um das Eigentliche zu verdecken.
    Euer ganzes Leben soll sich möglichst auf der Oberfläche abspielen: In die Tiefe, zur eigenen Scham, zur Verzweiflung, zur Einsamkeit steigt kaum einer hinunter. Alles wird aufgehübscht, überpinselt, weggeschminkt. Um unter allen Umständen das Gesicht zu wahren. Das ist euch wichtiger, als das eigene Leid zu stillen.
    Die eigene Trostbedürftigkeit zu gestehen hieße ja hinzusehen und zuzugeben, dass sie euch einsam macht. Dass ihr ohne Hilfe, von wem auch immer, damit nicht klarkommt. Ist es nicht so, Max? Lieber beißt ihr euch die Zunge ab, als das zu bekennen.
    Warum verlässt gerade die Starken so oft der Mut, wenn es um sie selbst geht? Und wehe, jemand erklärt einen anderen für trostbedürftig! Das ist das größte Tabu, außer derjenige kann sich dagegen nicht mehr wehren.
    Zur Not seid ihr gerade noch bereit, euch Trost zu holen wie ein Gericht beim Chinesen um die Ecke. (Ihn zu empfangen als einen Akt der Gnade , vielleicht sogar ungefragt, stößt euch ab. Sofort unterstellt ihr wieder, jemand wolle euch beeinflussen. Deswegen sagt man euch besser nicht, dass jeder Trost ein Geschenk ist. Jeder. Egal, woher – egal, von wem.)
    Und wehe, ihr bekommt nicht genau das, was ihr bestellt zu haben glaubt, dann gibt es gleich einen Aufstand. Anke in Stuttgart, die Verlassene, erwartet von ihren Freundinnen ausschließlich Schimpftiraden auf ihren Ex-Mann. Wenn sich jemand erdreistet, ihn zu verteidigen, schaltet sie sofort auf Angriff um. Ihr Menschen manipuliert an euren Tröstern so lange herum, bis ihr genau das Gewünschte erhaltet.
    Nicht einmal unmittelbar danach könnt ihr sagen: Endlich bin ich getröstet worden. Nein, dann hat Trost erst recht nichts mit euch zu tun.
    Und in aller Unschuld lasst ihr euch trotz aller Vorbehalte immer ein Hintertürchen für den Notfall offen. Max, du Trost-Trotzkopf hast dir die Formulierung » Trost auf Augenhöhe« eingeprägt wie eine Verheißung. Stimmt doch, oder?

22.
    Alle tröstenden Sätze hintereinander geben keinen Trost, sondern machen schwindl i g.
    Max setzt sich mit Hausaufgabenmiene an den Schreibtisch, vor sich

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