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Mein Schutzengel ist ein Anfaenger

Mein Schutzengel ist ein Anfaenger

Titel: Mein Schutzengel ist ein Anfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maximilian Dorner
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Bauchspeicheldrüse nachfahren, bis diese sich zu einer Kugel ausdehne … Alternativ bestände noch die Möglichkeit, das Organ abzuscannen oder Winkel darüberzulegen …
    Max kann es sich einfach nicht merken. Kein Puzzlestück passt zum anderen. Alles, was bei Karl völlig selbstverständlich klang, fühlt sich nun morsch an und voller chaotischer Knoten.
    Enttäuscht steht er auf und schaltet den Fernseher ein. Auf Arte läuft eine Sendung über den Arzt Paracelsus. Der angeblich behauptet hat, die Liebe sei die wirksamste Arznei. Max schnaubt verächtlich. Die konnten ihn alle mal mit ihrer Liebe. Ihn liebt schließlich auch niemand. – Er muss lachen.
    Auf dem Bildschirm laufen begeisterte Alternativ-Ärzte über blühende Wiesen und denken über die Heilkräfte der Natur nach. Gedreht wurde nur bei Sonnenschein. Dauernd ist von Ganzheitlichkeit und Heilung die Rede und der Notwendigkeit, die Zeichen richtig zu deuten. Der Kosmos und die Planeten, alle sollten einbezogen werden. In den Ohren von Max klingt das alles nach weichgespültem Harfengesäusel.
    Er befühlt seinen linken Fuß. Der ist kalt wie Marmor. Wie deutet man dieses Zeichen? Sein Kranksein fühlt sich ganz anders an, viel rauer und böiger als im Fernsehen. Das bedeutet dann aber auch, dass die dazugehörige Heilung anders sein müsste. Verschwitzter und härter am Wind. – Stromstöße in Wasserbottichen, so in etwa. Insofern war das mit der Leber ein guter Anfang.
    All dieses heraufbeschworene Wissen aus Antike und Mittelalter, zu was hatte es denn noch im 20. Jahrhundert geführt? Dass man Tuberkulose heilen wollte, indem man Sterbende in Kuhställe legte, wie die von ihm so verehrte Schriftstellerin Katherine Mansfield. Und alle Freunde von Paracelsus starben spätestens mit vierzig, trotz Kräuterwickeln und Bio-Schropfköpfen.
    Um wenigstens etwas für seine Gesundung zu unternehmen, absolviert Max eine Body-Scan-Meditation. Die dafür notwendige CD wartet seit Monaten auf dem Schreibtisch. Sylvia hat sie ihm kopiert. Body-Scan wäre gerade der letzte Schrei in der Eso-Szene. Und gar nicht schwer. Er bräuchte sich nur auf das konzentrieren, was die Frau mit dem leichten Sprachfehler ihm sagen würde.
    Eine Stunde lang fühlt er vom großen Zeh bis zu einem zwei Euro großen Loch in der Schädeldecke alles, worauf sie ihn hinweist. Und nimmt dann, genau wie sie ihm aufträgt, die Zentriertheit mit in den Alltag, genauer gesagt mit in die Küche, wo er aus der Schublade des Küchentischs eine Schmerztablette kramt.
    Anschließend setzt er sich noch fünf Minuten vor das Fenster und zählt, wie viele Autos an diesem Abend die Vorfahrt missachten.
    Wenigstens die Schmerztablette verschafft dir für eine Nacht Frieden. Schade nur, dass du beim Wühlen in der Schublade nicht auf die Tablettendose aus der Spezialklinik gestoßen bist …
    Trotz aller Rückschläge missioniert Max weiter. Je weniger es bei ihm klappt mit der Leber, desto hartnäckiger wünscht er sich, es würde wenigstens bei seinen Freunden funktionieren. Doch alle Versuche, jemand mit der eigenen Leber in Kontakt zu bringen, schlagen fehl.
    Sandra sagt erst zu und entschuldigt sich dann mit unterschiedlichen Ausreden. Zunächst geht es nicht, weil ihr Sohn schon zwei Nächte nicht geschlafen hat, dann steht eine Konferenz an, und schließlich muss sie sich um ihre Mutter kümmern … Max spürt, dass sie Angst hat, an etwas zu rühren. Schlafende Geister zu wecken könnte unabsehbare Folgen für das eigene Weltbild haben. Besser man ignorierte die Leber, bevor man etwas Unerwünschtes von ihr erführe.
    Gitta, die vor Jahren beinahe an ihrer Leberkrankheit gestorben wäre, verspricht ihm, es einmal zu probieren. Sie könne nichts mehr schrecken, nach dem, was sie auf der Intensivstation mitgemacht hätte. Ihre Leber und sie hätten keine Geheimnisse mehr voreinander. Eine Woche später schreibt sie ihm kleinlaut, dass sie es immer noch nicht getan hätte, aus einer ihr unerklärlichen Panik.
    Auf einmal kommt Max sich schmutzig vor: Das bin nicht ich. Ich, der Möchtegern-Paracelsus, der Leber-Prophet aus dem Westend – das sind nicht meine Worte, nicht meine Sprache, nicht meine Gedanken. Er fühlt sich, als plapperte er nur etwas nach. Dabei nervt ihn selbst in Heilungsfragen nichts mehr als Geschnatter.
    Tom ist der Einzige, der spontan zugibt, für einen direkten Kontakt mit seiner Leber viel zu labil zu sein. Dafür ist Max ihm dankbar. Unmittelbar nach dieser Absage

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