Mein schwacher Wille geschehe
sie das Lesen nicht gänzlich aufgeben); Fast-Food-Ketten in aller Welt, die (unter anderem) die Abneigung ruheloser Kinder gegen die Esszimmersitten der Erwachsenen ausbeuten; Spiele für männliche Teenager wie
World of Warcraft
,
Grand
Theft Auto
und
Narc
und Comicbuchfilme wie
Terminator
,
Spider-Man
,
Catwoman
und
Shrek
, die den Unterhaltungsmarkt dominieren; neue pädagogische Fernsehprogramme wie Teletubby und Videos wie Baby Einstein (...).«
Das alles und noch viel mehr sieht Barber im Einsatz eines undurchschaubaren Konsumkapitalismus, der Wert darauf legt, den früh erlernten Verbrauch lebenslänglich abzuschöpfen. Hoffnung besteht nach dieser Diagnose kaum. »Einst verband sich der Kapitalismus mit Tugenden, die zugleich wenigstens ein bisschen zu Demokratie, Verantwortung und bürgerlichem Engagement beitrugen. Heute ist er verbündet mit Lastern, die zwar dem Konsumismus dienen, aber Demokratie, Verantwortung und bürgerliches Engagement untergraben. Die Frage ist also, ob nicht nur die Demokratie, sondern auch der Kapitalismus |94| selbst das infantilistische Ethos, von dem er abhängig geworden ist, überleben kann. (...) Eines ist klar: Entweder wird der Kapitalismus das infantilistische Ethos durch ein demokratisches Ethos ersetzen und seine Fähigkeit wiedergewinnen, Gleichheit ebenso zu fördern wie Profit, Vielfalt ebenso wie Konsum, oder die Infantilisierung wird nicht nur die Demokratie, sondern auch den Kapitalismus selbst zugrunde richten.« Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass die Erschütterung der Finanzmärkte im Herbst 2008 bereits das von Barber ins Auge gefasste Ende darstellt. Seine grundsätzlichen Überlegungen dürfte er jedoch bestätigt sehen.
Glaubt man solchen Theorien, dann wäre Konsum eine Veranstaltung, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen müsste. Benjamin Barber hält es kaum für möglich, dass man souverän mit den vielfältigen Facetten der Regression umgehen kann. Gewiss mutet es wundersam an, wenn Kuscheltiere im Dutzend aus Autofenstern zurückschauen, obwohl in dem Gefährt seit geraumer Zeit keine Kinder mehr transportiert worden sind. Die Generation Nike ist inzwischen ins Rentenalter vorgerückt, und es ist kein Einzelfall mehr, dass sich Computer-Nerds in die Gemeinschaft von Fantasy-Spielern zurückziehen, in der nur noch das Problem regelmäßiger Nahrungsaufnahme an eine Echtzeit-Existenz erinnert. Dass sich aber hinter literarischen Hervorbringungen wie
Harry Potter
oder
Der Herr der Ringe
grandiose Epen verbergen, an die sich wissenschaftliche Studien anknüpfen lassen, sollte dem Politologen nicht verborgen geblieben sein. Doch Barber bleibt wie viele Kulturkritiker bei der Idee vom mehrfach fluchtgesicherten Käfig des Konsums. Im Kaufhaus gelingt es keinem noch so wendigen Schiff, die Klippen zwischen Skylla und Charibdis zu passieren. Nach Ladenschluss bleibt ein beschädigtes Subjekt am Mast zurück. Ein bisschen Freude kommt allenfalls dann noch auf, wenn die Marx-Brothers über Nacht eingeschlossen werden. Zur antikapitalistischen Akrobatik von Beppo |95| und Harpo würde es wohl auch Benjamin Barber noch einmal in den Mundwinkeln zucken.
Aber ist es nicht vielmehr so, dass in den Weltmeeren des Konsums immer hart am Wind gesegelt wird? Die Kaufhäuser selbst pflegen den odysseeischen Mythos. Noch der aufgeklärteste Käufer droht an jeder Ecke dem Angebotsfuror zu erliegen. Solange der Hafen Ithakas nicht erreicht ist, geht es immer um die Besänftigung von Schuld. Der vollzogene Kaufakt verspricht Absolution und wird mitunter als schnöder Ablass enttarnt. Handel mit Waren ist so gesehen ein unentwegtes Navigieren durch die Weltmeere der Neurosen.
Diese zu entdecken und zu stimulieren, war die große Kunst der »geheimen Verführer«, die der amerikanische Soziologe Vance Packard 1957 in seiner gleichnamigen Studie vorgestellt hat und die heute zu den Klassikern der Konsumbeobachtung zählt. Indem Packard die Methoden und Tricks der Motivationsforschung untersuchte, die sich in den Dienst der amerikanischen Warenerzeuger gestellt hatten, glaubte er, die Konsumenten besser gegen die Verführungskräfte wappnen zu können. Gegen die subtilen Methoden der Verkaufsstrategen, die ein umfassendes Überwachungssystem des Unbewussten organisiert hatten, setzte er die wachsame Gegenbeobachtung. Es lässt sich beschreiben, was sie tun und wie sie es tun. Der Kapitalismus war für Packard nicht das Problem, allenfalls stellte er eine
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