Mein Schwein pfeift
meinem Schlafgemach ein sägendes Geräusch, unterbrochen von keuchenden Japsern, als würde jemand ersticken. Ich fasste es nicht: Gurkennase hatte es sich auf meinem Bett bequem gemacht. »Sonja, ich will dich«, stöhnte Grabowski und fuchtelte mit den Armen. Anscheinend träumte er wild. Ich widerstand der ohnehin nur theoretischen Versuchung, mich danebenzulegen. Nachher verwechselte er mich noch mit Sonja. Stattdessen schloss ich die Tür und verzog mich ins Wohnzimmer. Obwohl ich normalerweise Bücher mit einem Umfang von über zweihundert Seiten mied, hatte ich mit John Fowles’ 900-Seiten-Opus Der Magus begonnen. Ein wahrer Pageturner. Ein eingebildeter, aber unbedarfter englischer Lehrer begab sich freiwillig in die Fänge eines charismatischen Gauklers, der ihm immer neue Inszenierungen bot. Obwohl er die Gefahr spürte, konnte er sich nicht aus den Klauen des Magiers befreien. Dabei warf jede Antwort, die der Leser erhielt, diverse neue Fragen auf. Niemand war, wer er zu sein schien.
Bei meinem Job erging es mir genauso: Fußballkollege Robert Hirschmann erwies sich als Schläger und Heiner Vossen als Börsenzocker und Dieb. Man konnte den Leuten wirklich nur vor den Kopf schauen. Aber keiner von beiden schien Angelo auf dem Gewissen zu haben. Frustriert legte ich das Buch zur Seite, löschte das Licht und bettete mich aufs Sofa. Als ich mich auf dem sonnigen Phraxos befand und von zwei reizenden Zwillingsschwestern umgarnt wurde, wusste ich, dass ich eingeschlafen war.
11
D ank Kevins Abwesenheit wachte ich am nächsten Morgen erst gegen Mittag auf. Tat schon gut, einen Morgen ohne Babygeschrei zu verbringen. Grabowski war bereits verschwunden, so dass ich das gesamte Anwesen für mich hatte.
Plötzlich fiel mir siedend heiß ein, dass ich in der Hektik völlig vergessen hatte, die Kaninchen zu füttern. Erleichtert stellte ich fest, dass es meinen Freunden gutging, und machte das Versäumnis mit einigen von Schumanns weltberühmten Biokohlköpfen wieder wett. Nur Pedder scharrte nervös mit den Hufen.
Ich erzählte ihm von den jüngsten Erlebnissen. Nicht dass er sich eines Tages beschwerte, ich würde alles für mich behalten. Das Wackeln seiner rosa Öhrchen signalisierte Zustimmung. Vielleicht bedeutete es aber auch, dass der Kohl mundete. Wer durchschaute schon die komplizierte Schweinepsyche.
Im Badezimmer massierte ich Schiöhrs Salbe in meine Gesichtshaut und kontrollierte den Erfolg nach einer Viertelstunde im Spiegel. Boris musste in seinem früheren Leben indianischer Medizinmann gewesen sein: Mein Teint war strahlend rein.
Das Telefon klingelte. Gutgelaunt hob ich ab.
»Wolltest du uns nicht beim Skat aushelfen?«
Wann ließen mich Reisingers Hampelmänner endlich in Ruhe?
»Warum sprecht ihr Arschlöcher dauernd über Dinge, die ihr nicht kapiert? Mit euch Pennern Skat zu spielen ist für mich die gleiche Herausforderung wie mich mit Beinamputierten im Hindernislauf zu messen.«
»Ein großes Maul hat er, der Herr Schnüffler«, lachte Bruno.
»Stiehl mir nicht die Zeit, Fettsack. Wenn du was zu sagen hast, spuck’s aus«, versuchte ich mich in Proletenslang.
»Nicht so ungeduldig. Wir haben uns schon gedacht, dass du nicht mit uns zocken willst. Deswegen haben wir uns einen anderen Mitspieler gesucht, genauer gesagt eine Mitspielerin und einen Kartengeber. Obwohl der Kleine noch viel lernen muss.«
Bruno lachte kehlig: »Schon mal mit deiner Tussi Skat gekloppt, Wichser? Die reinste Freude, sag ich dir. Kennt zwar die Regeln nicht, aber das Reizen beherrscht sie perfekt. Los, erzähl dem Schnüffler, wie wohl du dich bei uns fühlst.«
»Dieter!« Ein Schrei ließ mein Trommelfell Tango tanzen. »Die wollen mich vergewaltigen. Hilf mir!«
»Das reicht. Ist sie nicht süß? Der Bengel ist auch nicht schlecht. Rülpsen kann er schon wie ein Großer.«
Die Schweine waren penetranter als Kevins stinkende Windeln.
»Wenn den beiden was passiert, seid ihr fällig.«
»Bleib cool. Einmal Titten-Grapschen ist doch wohl erlaubt. Wenn du dich aber weiterhin in fremde Angelegenheiten mischst, vergessen wir unsere gute Kinderstube.«
»Etwas konkreter bitte.«
»Du lässt uns die nächste Woche in Ruhe. Kannst ja deinen verkommenen Dreckshof auf Vordermann bringen oder deine Pornosammlung sortieren.«
»Und dann?«
»Danach kannst du deine Familie wieder in die Arme schließen.«
»Einverstanden.« Ich legte auf.
Einen Teufel würde ich tun.
Ich zog das Telefonbuch aus der
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