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Mein Schwein pfeift

Mein Schwein pfeift

Titel: Mein Schwein pfeift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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Ruhrgebiet zu sagen pflegte.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr: kurz vor elf. Die erste Aufzeichnung — und das war die, die mich interessierte — war für vierzehn Uhr angesetzt. Da wir auf keinen Fall gesehen werden durften, war mir das nur recht. Die Wartezeit würde uns schon nicht umbringen.
    Just in diesem Moment klopfte jemand an die Autoscheibe: Ulrike.
    »Na, Jungs, kleine Spritztour gemacht?«, versuchte sie zu feixen. Allerdings stand ihr die Trauer um ihren Vater immer noch in großen Lettern ins Gesicht geschrieben, denn das Lächeln sah doch sehr gekünstelt aus. Ich hoffte inständig, dass niemals herauskam, dass ich bei Reisingers Tod die Finger im Spiel gehabt hatte, auch wenn nicht ich ihn erschossen hatte, sondern Bruno.
    »Hi, Ulli, alles fit im Schritt?«, zeigte sich Grabowski wie gewohnt von seiner sensibelsten Seite.
    »Und, nervös?«, schaltete ich mich schnell ein, bevor mir die Gute noch zusammenklappte.
    »Im Moment stehe ich sowieso neben mir. Ehrlich gesagt habe ich noch gar nicht darüber nachgedacht. Aber wenn wir heute einen Mörder überführen können, werde ich mich bestimmt besser fühlen.«
    Gurkennase fummelte plötzlich völlig unmotiviert in der Beifahrerablage herum; offensichtlich war ihm aufgegangen, wie dämlich sein Kommentar gewesen war. Zum Glück versuchte er nicht, irgendeine Entschuldigung zu blubbern, denn darin hatte er wirklich keine Übung. Schweigen war in diesem Fall tatsächlich Gold.
    »Soll ich dich begleiten? In einer Stunde kommen die Kandidaten, und ich darf auf keinen Fall gesehen werden. Wir können dann noch mal alles durchgehen.« Meine Unsichtbarkeit war für den Erfolg des Falles unabdingbar.
    »Klar, ich fühle mich auch besser, wenn ich nicht allein in der Garderobe sitze.« Dieter Nannen, Beistand einsamer Damen.
    Ich zog den Schlüssel aus der Zündung und warf ihn nach hinten, wo Otto ihn professionell auffing.
    »Fahrt die Karre in eine Seitenstraße, und dann wartet einfach, bis ihr reingelassen werdet. Und verhaltet euch unauffällig, klar?«, kehrte ich den Dickmatz raus. Ein synchrones Schnaufen war alles, was ich erntete.
    Ich verließ den Mercedes und stiefelte mit Ulrike zum Sendegebäude. Der Pförtner winkte uns durch, eine Minute später erreichten wir ihre Garderobe. Gegenüber der Tür war ein großer Spiegel angebracht, unter dem diverse Schminkartikel positioniert waren. Auf der rechten Seite stand ein senffarbener Kleiderschrank, der auch schon bessere Zeiten gesehen hatte. Links war eine Liege aufgestellt; offensichtlich die Wellness-Oase zwischen zwei Sendungen. Das war alles, und mehr passte in den Raum auch nicht rein. Günther Jauchs Garderobe sah sicherlich anders aus.
    »Bist du sicher, dass du das heute durchstehst? Wenn du Bedenken hast, blasen wir die Sache ab«, fragte ich Ulrike mit sanfter Stimme. Dabei ergriff ich ihre Hand, denn die letzten Tage mussten hart für sie gewesen sein. Innerhalb kürzester Zeit zu erfahren, dass der Freund fremdgegangen war, dann den Vater zu verlieren und zu guter Letzt auch noch den Lockvogel für einen Mörder zu spielen, war sicherlich eine ordentliche Schüppe seelischer Ballast.
    »Geht schon«, sagte sie gequält. »The show must go on.«
    Die nächsten zwei Stunden plauderten wir belangloses Zeug, bis Ulrike sich frisch geschminkt in Richtung Redaktionsleiter verabschiedete. Ich bildete mit zwei Fingern ein V, und sie nickte fahrig. Kurz vor der Tür konnte ich sehen, wie sie ein strahlendes Lächeln aufsetzte. The show must go on.
    Ich streckte mich auf der Liege aus und versuchte, die leichte Nervosität zu verdrängen. Das gelang problemlos, denn das Nächste, was ich bemerkte, war lautes Gejohle aus dem Nebenraum. Offensichtlich hatte ich den Beginn der Sendung verschlafen.
    Jetzt aber flott! Ich spurtete aus der Garderobe und postierte mich dort hinter den Kulissen, wo ich sowohl Ulli als auch die beiden Kandidaten im Visier hatte. Sie waren nur wenige Meter von mir entfernt.
    »Und hier, Hermann-Josef, kommt die nächste Frage der Vorrunde. Es wäre sicherlich nicht verkehrt, wenn du mal richtig antworten würdest, denn du liegst zwei Punkte zurück. Also, wie gehabt zehn Sekunden Zeit für die Antwort. Was ist die Kubikwurzel aus 1 560 896? Die Zeit läuft.«
    Der Kandidat schaute Ulrike entgeistert an, brachte aber kein Wort heraus.
    »Tut mir leid, die Zeit ist um. Die richtige Antwort lautet 116.«
    Die Menge, fast ausnahmslos Rentner, johlte, dass es in den Ohren

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