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Mein Schwein pfeift

Mein Schwein pfeift

Titel: Mein Schwein pfeift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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aber sie schien nicht zu Hause zu sein. Na gut, dann eben ein reines Männerangeln.
    »Guck ma, Dieter, schon wieder Karpfen für Stefan«, weitete mein Kompagnon das Sprichwort, dass die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln ernteten, auf das Fischereiwesen aus. Während sein Kescher bereits zu bersten drohte, schwamm in meinem völlig vereinsamt eine Forelle, die zudem noch die Goldcard bei Weight Watchers zu besitzen schien. Abgesehen vom Ungleichgewicht bei der Fischausbeute war es aber ein entspannter Nachmittag. Stefan brachte zwar keinen Satz unfallfrei über die Lippen, aber er sagte auch mal eine Stunde lang gar nichts. Da wir uns wirklich wohl fühlten, entfachten wir ein kleines Feuerchen und brieten die beiden schönsten Exemplare in freier Natur. Es schmeckte phantastisch.
    Was für mich ein sehr gelungener Ausflug war, schien für meinen Freund Ostern und Weihnachten zusammen zu sein. Ich hatte selten das Vergnügen gehabt, in solch ein glückliches Gesicht blicken zu dürfen. In solchen Momenten wurde einem so richtig bewusst, wie verbiestert und kleingeistig man den Großteil des Lebens verbrachte und dass man mit einfachsten Mitteln Abhilfe schaffen konnte.
    Bevor ich zum Philosophen mutierte, riss Stefan mich aus meinen Gedankengängen: »Lecker war das. Jetzt nach Mama fahren, ja?«
    Wir packten den Krempel zusammen und schenkten den nicht verspeisten Fischen wieder die Freiheit.
    »Ich habe das Angeln mit dir sehr genossen. Müssen wir unbedingt wiederholen«, meinte ich es durchaus ehrlich.
    Das Leuchten in seinen Augen wurde noch stärker: »Ich mich auch freut. Coole Scheiße, Dieter.«
    Hey, Stefan war unter die Jugendlichen gegangen, denn von seiner Mutter hatte er den Ausdruck bestimmt nicht übernommen.

    Gegen neun lieferte ich den coolen Sack am Jahnknecht’schen Fachwerkhaus ab. Ich lieh ihm die Greatest Hits, Slashes and Crosschecks der genialen Bostoner Hardcore-Truppe Slapshot, die wir während der Autofahrt gehört hatten. Wenn bei Bauer Steinmann, bei dem Stefan als Knecht arbeitete, demnächst die Schweine Punk’s Dead, You’re Next grunzten, hatte ich wieder ein wenig Entwicklungshilfe im Münsterland geleistet.
    Das Schnüfflerleben war schon angenehm, denn auch diesen Abend verbrachte ich lesend und Musik hörend. Noch einige solcher Tage, und ich konnte mir ernsthafte Gedanken über einen Zweitjob machen.

    Auch der Donnerstag gestaltete sich wenig aufregend. Einziger Tagesordnungspunkt was das Abschlusstraining im Westfalenstadion. Erneut waren alle voll bei der Sache, und auch Hirschmann war wieder am Start. Wir gingen uns aber aus dem Weg.
    Nach den Übungseinheiten rief ich Karin an, um sie zum Essen einzuladen. Leider hatte sie schon etwas vor, und zwar die Aufführung eines Theaterstücks in Plattdeutsch. Die Eintrittsgelder sollten der Kinderkrebshilfe zugutekommen.
    Ob ich mich daheim oder im Bulderner Gemeindehaus langweilte, war faktisch gleich, und so bat ich gegen sieben Uhr um Einlass für das Stück »De Pastoor un sin Schäöpken«. Von den Dialogen verstand ich zwar kein Wort, aber Schumann machte eine gute Figur auf der Bühne. Sie war wohl auch die Einzige, die ihre Klamotten für die Aufführung nicht wechseln musste, denn sie schien eine rabiate Ökoaktivistin zu verkörpern.
    Gemessen an den Publikumsreaktionen musste das Stück sehr lustig sein. Die rund hundert Zuschauer mit einem Mindestalter von sechzig applaudierten so frenetisch, dass die Theatergruppe sogar noch eine Zugabe geben musste.
    Nach der Vorstellung verschwand Karin leider sofort mit ihren Mitspielern, um den Erfolg zu feiern. Ein kurzer Wink von der Bühne war das Einzige, was ich an persönlicher Zuneigung von ihr empfing, so dass ich gegen halb elf den Heimweg antrat und eine Stunde später meine nicht vorhandenen Schuppen aufs Kopfkissen rieselten.

19

    F reitag: Der Tag der Entscheidung!
    Heute würde ich dem Mörder die Maske vom Gesicht reißen, und das sogar vor Publikum.
    Mein Wagen parkte vor Münster Live, das in einem schmucklosen zweistöckigen Gebäude in einem ebenso schmucklosen Industriegebiet in der Peripherie der Radfahrerstadt untergebracht war. Eingerahmt von »Getränkepoint 2000« und »Saunaclub Aphrodite« wies nur eine unscheinbare Tafel neben der Glastür darauf hin, dass hier einer der erfolgreichsten Sender der Welt seine lebenswichtigen Formate auf die Mattscheiben der Münsteraner Bevölkerung brachte. Ich fragte mich ernsthaft, wie sich derartige

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