Mein Sommer nebenan (German Edition)

Kaugummis auf einmal. Jase zieht eine Braue hoch, sagt aber nichts. »… ist einfach überall. Egal, welchen Scheißstein du bei diesem Wahlkampf umdrehst – er kommt darunter hervorgekrochen. Alles tanzt nach seiner Pfeife, mich selbstverständlich eingeschlossen. Und Grace lässt ihn einfach machen. Er muss nur mit den Fingern schnippen, schon springen alle. Der Typ schläft nie. Selbst dieser Malcolm, der superschleimige Wahlkampfmanager von deiner Mutter, geht mittlerweile schon auf dem Zahnfleisch. Aber Clay? Immer topfit, immer strotzend vor Tatendrang wie so ein verdammtes Duracell-Häschen. Er will nur eines – gewinnen. Und dafür ist ihm jedes Mittel recht. Er hat sogar eine Art Doppelagentin in Ben Christophers Wahlkampfbüro eingeschleust, so eine niedliche kleine Brünette, die ihm jeden Morgen flüstert, was im anderen Lager läuft, damit Grace ihrem Herausforderer immer einen Schritt voraus ist.«
    Das muss die Frau sein, mit der ich Clay damals gesehen habe, aber ich habe kaum Zeit, die Information zu verarbeiten.
    »Er kümmert sich außerdem um sämtliche Presse- und Fototermine«, erzählt Tim weiter. »Erst gestern hat er dafür gesorgt, dass Gracie eine halbe Seite im Stony Bay Bugle bekommt. Mit Foto, auf dem man sieht, wie sie irgend so ein armes Schwein, das gerade erst aus Afghanistan zurückgekehrt ist und dort beide Beine verloren hat, mit Küsschen links und Küsschen rechts begrüßt.« Tim vergräbt die Hände in den Taschen und wandert erregt auf und ab, während er spricht. »Und als wir neulich eine Kindertagesstätte besucht haben, wo Grace sich inmitten von sieben süßen blonden Kiddies fotografieren ließ, hat er ein Mädchen mit einem großen roten Feuermal im Gesicht förmlich aus dem Blickfeld der Kamera geschubst. Ich meine, er ist gut in dem, was er tut. Es ist unglaublich, ihm bei der Arbeit zuzuschauen. Aber gleichzeitig jagt er einem eine Scheißangst ein. Und deine Mom … die lässt ihn einfach machen, Samantha. Es kommt mir vor, als würde sie für ihn arbeiten. Was verdammt noch mal läuft da eigentlich zwischen den beiden?«
    Es ist nicht so, als hätte ich nicht selbst schon über all das nachgedacht. Aber gegenüber Tim habe ich irgendwie das Bedürfnis, Mom zu rechtfertigen. Als hätte er nicht selbst genug Dreck am Stecken.
    »Ja, okay, von außen betrachtet sieht es vielleicht so aus, als hätte er das Zepter in der Hand«, verteidige ich sie. »aber das letzte Wort hat immer noch Mom. Ihr Amt als Senatorin liegt ihr wirklich am Herzen und sie will unbedingt wiedergewählt werden. Natürlich wird da auch mit harten Bandagen gekämpft und …« Ich verstumme. Ich klinge schon wie sie.
    »Es läuft gut. Sie liegt bei allen Umfragen vorne, wenn auch knapp. Aber das reicht Clay natürlich nicht. Nein, Clay muss auf Nummer sicher gehen. Er will nicht nur, dass sie gewinnt, er will, dass ihr Herausforderer als der ganz große Verlierer dasteht. Er will ihn plattmachen, und zwar so, dass er seine Karriere für immer an den Nagel hängen kann.«
    Jase streicht gedankenverloren mit der linken Hand über meine Taille, während er mit der anderen kleine Plastikbehälter mit Nägeln auspackt. »Und wie stellt er das an?«
    »Indem er bedeutungslosen Dreck ausgräbt und dafür sorgt, dass er eine Bedeutung bekommt. Und kleben bleibt.«
    Wir starren Tim fragend an.
    »Ben Christopher hat zwei Einträge wegen Trunkenheit am Steuer«, erklärt er. »Der erste stammt noch aus seiner Highschool-Zeit und liegt dreißig, der zweite sechsundzwanzig Jahre zurück. Eigentlich Schnee von gestern, für den Christopher längst bezahlt hat. Und so wie ich ihn einschätze, wenn ich ihn auf Veranstaltungen mitbekomme, ist er ein grundanständiger Kerl, der wirklich für das steht, wofür er kämpft. Aber so eine Gelegenheit lässt Clay sich natürlich auf keinen Fall entgehen, und wie ihm sein kleiner Maulwurf geflüstert hat, scheißen sich Christopher und sein Team vor Angst, die Sache könnte rauskommen, in die Hosen. Jedenfalls hat er dafür gesorgt, dass irgend so ein korrupter Journalist die Bombe während eines Pressetermins, an dem Grace und Christopher teilnehmen, platzen lässt. Drei Tage vor der Wahl.«
    »Was ist mit dir?«, fragt Jase. »Wo ist deine Rolle in der Geschichte?«
    Tim schüttelt verzweifelt den Kopf. »Ich weiß es nicht. Clay Tucker traut mir zu, über Wasser zu laufen. Aus irgendeinem Grund imponiere ich dem Scheißkerl, egal, was ich mache. Heute hat er mich