Mein Sommer nebenan (German Edition)
streichle ihm über die Wange.
»Warum?«
»Aber du darfst nicht lachen, okay?«
Warum muss man bei diesem Satz immer automatisch lächeln? Er macht die Augen auf.
Ich setze sofort ein ultraernstes Gesicht auf. »Auf keinen Fall.«
»Ich bin jetzt Zeitungsjunge.«
»Was?«
»Ich trage den Stony Bay Sentinel aus. Um vier Uhr morgens geht’s los, sechs Tage die Woche.«
»Wie lange machst du das schon?«
»Seit zwei Wochen. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm ist. In Filmen sieht man nie, wie Zeitungsjungen literweise Red Bull und Kaffee in sich reinschütten, um sich wach zu halten.«
»Wahrscheinlich weil Zeitungsjungen selten älter als zehn sind. Kann Duff das nicht machen?«
Seine Hände wandern zu meinen Haaren, um das Gummiband rauszuziehen, wie er es immer macht. »Duff hat nicht vor, nächstes Jahr aufs College zu gehen. Ich schon. Auch wenn es im Moment nicht so aussieht, als würde es klappen. Ich hätte den Mustang nicht kaufen dürfen. Aber ich habe ihn mir nun mal so sehr gewünscht. Bald hab ich ihn so weit, dass er wieder fährt. Das heißt … wenn ich noch mehr Geld reinstecke.« Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ich habe mir noch nie Sorgen um Geld machen müssen. »Schau nicht so traurig, Sam. Irgendwie kriege ich das schon alles hin. Ich hätte nicht davon anfangen sollen.«
» Ich habe davon angefangen«, erinnere ich ihn. »Ich bin deine Freundin und ich will, dass du mit mir über solche Themen reden kannst. Es geht mir nämlich nicht nur um deinen durchtrainierten Traumkörper, musst du wissen.«
»Was aber völlig in Ordnung für mich wäre.« Jase festigt seinen Griff um meine Taille und zieht mich näher.
»Könnt ihr nicht mal für eine Minute die Finger voneinander lassen, Herrgott?«
Wir drehen uns zu Tim um, der in einem perfekt sitzenden dunkelgrauen Anzug zur Tür reinkommt und ziemlich mitgenommen und genervt aussieht.
»Hey, Mason«, grüßt Jase ihn, ohne mich loszulassen. »Alles okay?« Er deutet mit dem Kopf auf die Uhr.
»Hängt davon ab, wie du ›okay‹ definierst.« Tim zieht sein Jackett aus und hängt es an einen Kleiderhaken. Dann windet er sich aus seiner Krawatte, als wäre sie eine Boa constrictor, die ihn in ihrem Würgegriff hat. Als er zu uns rüberkommt, mustert Jase ihn verstohlen, als würde er nach irgendwelchen Anzeichen dafür suchen, dass er getrunken oder gekifft hat. Er scheint aber, genau wie ich, keine zu finden. Tim wirkt einfach nur stinksauer.
»Was ist los?« Jase reicht ihm seine Karteikarte über die Theke.
Tim beugt sich darüber, um mit einem schwarzen Filzstift die Zeit zu notieren. »Was genau weißt du über diesen verkackten Scheißkerl Clay Tucker, Sammy?«
»Hör auf so zu reden, Tim.« Ich lege ihm eine Hand auf den Arm. In letzter Zeit hat er die Kraftausdrücke ziemlich reduziert und manchmal sogar eine ganze Unterhaltung ohne geschafft.
»Was denn?« Er breitet unschuldig die Hände aus. »Das ist ein Zwang. So wie ihr ständig aneinander rumfummeln müsst, muss ich eben ständig fluchen. Sei froh, dass ihr nur unter Sexsucht leidet und nicht wie ich unter dem Tourette-Syndrom.«
»Es reicht, Tim. Ich weiß zwar nicht, warum du so mies drauf bist, aber es ist bestimmt nicht Samanthas Schuld. Also, was hast du für ein Problem mit Clay Tucker?« Jase lehnt sich mit verschränkten Armen an die Theke.
»Keine Ahnung. Ich meine, ich bin der Letzte, der das Recht hat, solche manipulativen Arschlöcher zu kritisieren, ich bin selbst eines. Aber dieser Typ – der spielt in einer anderen Liga. Und deine Mom, Samantha … die macht brav alles mit.« Tim reibt sich die Stirn.
»Wie meinst du das?«, frage ich im selben Moment, in dem Mr Garrett sagt: »Hast du heute Abend wieder Dienst im Wahlkampfbüro, Tim?« Keiner von uns hat bemerkt, dass er in den Verkaufsraum zurückgekommen ist.
Tim schüttelt den Kopf, wird aber vom Hals aufwärts rot. Bis jetzt ist er noch nie zu spät gekommen, jedenfalls nicht im Baumarkt.
»Gut. Dann kannst du ja nach Ladenschluss die Inventur fertig machen, mit der du neulich angefangen hast.«
Tim schluckt und nickt. Mr Garrett legt ihm eine Hand auf die Schulter. »Dass du dich nicht noch mal so verspätest, Timothy. Hast du verstanden?« Seine Schultern wirken ein bisschen gebeugt, als er in sein Büro zurückgeht.
Jase zieht ein Päckchen Kaugummi aus seiner Jeanstasche und bietet es Tim an. »Erzähl weiter.«
»Also, der gute Clay …« Tim nimmt sich gleich sechs
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