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Mein Sommer nebenan (German Edition)

Mein Sommer nebenan (German Edition)

Titel: Mein Sommer nebenan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Huntley Fitzpatrick
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hält ihre Rede, während Clay ihr von der Seite aus zusieht und ich damit kämpfe, nicht einzuschlafen.
    Anschließend muss ich mir von Leuten, die aus winzigen Plastikbechern Sekt oder Orangensaft nippen, gefühlte drei Millionen Mal anhören: »Sie sind sicher unglaublich stolz auf Ihre Mutter«, worauf ich jedes Mal mit »Oh ja, das bin ich, das bin ich wirklich« antworte. Als ich zwischendurch einmal für ein paar Minuten verschont bleibe, lehne ich verstohlen den Kopf an das Podium, neben dem wir stehen, bis Mom mir einen Fußtritt verpasst und ich wieder in eine aufrechte Position zurückschrecke und meine Augen aufzwänge.
    Irgendwann hält sie schließlich ihre Abschlussrede, die von donnerndem Applaus und begeisterten »Reed! Reed!«-Rufen gefolgt wird. Clay legt eine Hand auf ihren Rücken, als wir in die Nacht hinaustreten, die hier in der Stadt nicht wirklich schwarz, sondern eher teefarben ist. »Du bist ein absolutes Phänomen, Gracie. Hast einen Zwölf-Stunden-Tag hinter dir und siehst immer noch fantastisch aus.«
    Mom lächelt geschmeichelt und spielt mit ihrem Ohrring. »Honey?«, fragt sie dann zögernd. »Ich verstehe nur nicht, warum diese Marcie auf fast jeder meiner Veranstaltungen irgendwo im Hintergrund herumsteht.«
    »War sie heute Abend hier?«, fragt Clay überrascht. »Ist mir gar nicht aufgefallen. Außerdem habe ich dir doch schon mal erklärt, dass die Gegenseite sie genauso auf unsere Events schickt, wie wir Tim abbeordert haben, die Autos auf Christophers Kundgebungen zu zählen, oder wie wir Dorothy auf seine Pressekonferenzen schleusen.«
    Ich weiß, dass die Rede von der Brünetten ist. Aber Clay klingt nicht so, als versuche er, Mom hinters Licht zu führen. Es scheint ihm tatsächlich nicht aufgefallen zu sein, dass »Marcie« da war.
    »Du musst deinen Gegner einschätzen können, seine Stärken und seine Schwächen kennen.« Clay stolpert über irgendetwas und Mom lacht nervös.
    »Vorsicht, Honey.«
    »Sorry – keine Ahnung, wer mir da Steine in den Weg legen will.« Er lacht kurz auf. Sie bleiben stehen und lehnen sich in der Dunkelheit leicht schwankend aneinander. »Besser du fährst.«
    »Natürlich«, sagt Mom. »Gib mir die Schlüssel.«
    Die beiden kichern albern, während sie die Schlüssel in seinen Jackentaschen sucht. Ich will einfach nur nach Hause.
    Mom startet den Wagen mit heulendem Motor und stößt ein überraschtes »Huch!« aus, als würden Autos normalerweise nie solche Geräusche von sich geben.
    »Vielleicht sollte doch besser ich fahren, Darling«, sagt Clay.
    »Ich habe alles im Griff«, versichert ihm Mom. »Außerdem hattest du vier Gläser, ich nur drei.«
    »Möglich«, antwortet Clay. »Ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr so genau.«
    Die Zeit verschwimmt. Ich rutsche auf der Rückbank tiefer ins Polster, strecke die Beine über einem Stapel mit Grace-Reed-Schildern und Kartons voller Wahlkampf-Flyer aus und lege den Kopf an die harte Lederarmstütze unter dem Fenster. Meine Lider werden immer schwerer, während die Lichter des Highways an uns vorüberfliegen.
    »Nimm die Uferstraße am Fluss entlang«, höre ich Clay irgendwann leise sagen. »Da ist weniger Verkehr. Gleich hast du’s geschafft, Gracie.«
    Die Fensterscheibe fühlt sich kühl an meiner Wange an. Eine Weile leuchten immer wieder andere Scheinwerfer auf und verschwinden, bis ich schließlich im Mondlicht, das auf das offene Wasser fällt, sehe, dass wir am McGuire Park vorbeifahren. Ich denke an den Tag zurück, an dem ich mit Jase hier gewesen bin, daran, wie wir auf dem sonnenwarmen Felsen im Fluss lagen, dann fallen mir wieder die Augen zu, eingelullt vom Schnurren des Motors, das mich an das Rauschen von Moms Staubsauger erinnert.
    BANG.
    Ich werde so heftig gegen den Vordersitz geschleudert, dass ich Sternchen sehe.
    »Oh mein Gott!«, ruft Mom mit einer hohen panischen Stimme, die noch beängstigender ist als der plötzliche Knall. Sie tritt auf die Bremse.
    »Setz zurück, Grace.« Clays Stimme klingt ruhig und bestimmt.
    »Mom? Mom! Was ist passiert?«
    »Oh mein Gott«, wiederholt Mom. Kratzer im Lack regen sie immer wahnsinnig auf. Ein plötzlicher kühler Nachtwind weht ins Wageninnere, als Clay die Beifahrertür öffnet und aussteigt. Eine Sekunde später sitzt er wieder im Wagen.
    »Es ist nichts passiert. Dreh um, Grace. Sofort. Samantha, schlaf weiter.«
    Ich erhasche einen kurzen Blick auf sein Profil. Er hat den Arm um Mom gelegt und drückt ihre Schulter.

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