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Mein Sommer nebenan (German Edition)

Mein Sommer nebenan (German Edition)

Titel: Mein Sommer nebenan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Huntley Fitzpatrick
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meinem Stuhl hin- und herrutsche und dem Röhren eines Rasenmähers draußen lausche.
    »Warum tue ich mir das noch mal an?«, frage ich Nan, als sie sich vor mich setzt und ihren Rucksack zu ihren Füßen abstellt.
    »Weil Übung den Meister macht. Oder zumindest gut genug, um es in ein College unserer Träume zu schaffen. Und weil du meine beste Freundin bist.« Sie greift in die Außentasche ihres Rucksacks, holt einen Pflegestift heraus und betupft damit ihre von der Sonne leicht geröteten Lippen. Erst jetzt fällt mir auf, dass sie nicht nur ihr heiß geliebtes blau-weißes Columbia-T-Shirt angezogen hat, sondern außerdem die Kette mit dem Kreuzanhänger trägt, die sie zur Kommunion bekommen hat, und das Armband, das ihr ihre irische Großmutter geschenkt hat und an dem grün-weiß emaillierte Kleeblätter baumeln.
    »Wo ist Buddha?«, frage ich. »Wird er sich da nicht ausgeschlossen vorkommen? Und was ist mit Zeus? Oder wenigstens einer Hasenpfote als Zusatzglücksbringer?«
    Sie wirft mir einen gespielt finsteren Blick zu, während sie ihre sieben HB -Bleistifte in einer Reihe anordnet. »Das hier ist eine ernste Angelegenheit. Man hört zwar öfter, die Zulassungstests wären nicht mehr so wichtig, wie sie es mal waren, aber wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Man kann nicht vorsichtig genug sein. Ich würde Salbei verbrennen, den Scientologen beitreten und eines von diesen Kabbalah-Armbändern tragen, wenn ich davon überzeugt wäre, dass es mir hilft. Ich muss raus aus dieser Stadt. Um jeden Preis!«
    Egal wie oft Nan es sagt, es versetzt mir jedes Mal einen Stich. Auch wenn ich weiß, dass ich es nicht persönlich nehmen darf. Wäre ich die Tochter ihrer Eltern, würde ich mit Sicherheit auch so schnell wie möglich von hier weg wollen.
    »Seit Tim den Job bei deiner Mom gekündigt hat und nur noch im Baumarkt arbeitet, ist es sogar noch schlimmer geworden«, erzählt sie, wie um meinen Gedanken zu bestätigen. »Ich habe das Gefühl, Mommy erträgt es nicht mal mehr, ihn anzusehen. Sie sagt nur noch mit zitternder Stimme: ›Tja, du hast dich ja wohl offensichtlich entschieden, dein restliches Leben als Versager zu verbringen …‹, und geht dann kopfschüttelnd aus dem Zimmer.«
    Ich seufze. »Wie kommt Tim damit klar?«
    »Ich glaube, mittlerweile raucht er drei Schachteln am Tag«, antwortet Nan. »Und frisst tonnenweise Kaubonbons. Von allem anderen lässt er die Finger … zumindest bis jetzt noch.« Ihre Stimme klingt schicksalsergeben, sie rechnet offensichtlich mit dem Schlimmsten. »Er …«, beginnt sie, verstummt aber, als die Tür zum Klassenraum sich öffnet und eine kleine, ganz in beige gekleidete Frau und ein großer, rotblonder Mann hereinkommen, die sich als die Aufsicht führenden Lehrer vorstellen. Die Frau erklärt mit monotoner Stimme das Prozedere, während ihr Kollege durch den Raum wandert, unsere Ausweise prüft und blassblaue Papierbögen verteilt.
    Die Klimaanlage fängt plötzlich an zu brummen, sodass die eintönige Stimme der Frau kaum noch zu hören ist. Nan zieht einen dünnen Cardigan über. Danach holt sie – zur Sicherheit – auch noch eine Sweatshirtjacke hervor und legt sie ordentlich gefaltet auf den Rucksack. Ihre übliche Vorbereitung vor jeder Prüfung. Anschließend setzt sie sich aufrecht hin, stützt die Ellbogen auf die Tischplatte, legt das Kinn in die verschränkten Hände und seufzt. »Für mich gibt es echt nichts Schlimmeres, als Aufsätze schreiben zu müssen«, stöhnt sie. »Es stresst mich total, worauf man da alles achten muss. Aufbau, Rechtschreibung, flüssiger Stil … Kotz.« Trotz der leichten Bräune, die sie gegen Ende des Sommers immer hat, wirkt sie unter ihren Sommersprossen blass, nur ihre sonnenverbrannte Nase verrät die Jahreszeit.
    »Hallo? Du bist ein aufgehender Stern am Schriftstellerhimmel«, erinnere ich sie. »Du hast den Lazlo Preis gewonnen – schon vergessen? Die Zulassungstests sind das reinste Kinderspiel für dich.«
    Der große blonde Mann deutet mit großem Getue auf die Uhr an der Wand, worauf die Frau in Beige »Schscht!« zischt und beginnt, mit feierlich-ernster Miene einen Countdown von zehn bis eins runterzuzählen, als wäre das hier ein Raketenstart in Cape Canaveral und nicht eine Prüfung, die nur zur Übung stattfindet. »Zehn, neun, acht …« Ich lasse den Blick durch den Raum schweifen. Alle haben die blauen Papierbögen und ihre ordentlich aufgereihten Stifte vor sich liegen und warten

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