Mein Sommer nebenan (German Edition)
sind das Erste, was ich sehe. Er liegt mit dem Rücken auf Duffs Skateboard und schraubt am Unterboden herum. Ich bin froh darüber, dass ich sein Gesicht nicht sehen kann, weil ich nicht weiß, ob ich das, was ich gleich tun werde, schaffe, wenn ich ihm dabei in die Augen blicken muss. Er scheint mich jedoch an meinem Gang zu erkennen. Oder an meinen Schuhen.
»Hey, Sam. Hi, Baby.« Seine Stimme klingt fröhlich und so entspannt wie schon seit Tagen nicht mehr. Er tut das, was er liebsten tut und am besten kann und schafft es so, wenigstens einen Moment lang dem Kummer zu entfliehen und mit der Welt im Reinen zu sein.
Ich schlucke. Meine Kehle fühlt sich geschwollen an, als hätten sich die Worte, die ich sagen muss, dort zu einem Klumpen zusammengeballt.
»Jase?« Ich klinge noch nicht einmal nach mir selbst und das erscheint mir irgendwie auch nur angemessen, denn die Samantha, die hier steht, das bin nicht ich. Ich räuspere mich. »Wir können uns nicht mehr sehen.«
»Ich habe gleich Zeit für dich. Muss nur noch schnell die Mutter hier festziehen, sonst tropft das ganze Öl raus.« Offensichtlich hat er mich nicht richtig verstanden.
»Nein. Ich meine, das mit uns – das geht nicht mehr.«
» Was? « Ich höre, wie Knochen gegen Blech schlägt, als er vergisst, wo er ist, und sich aufsetzen will. Dann rutscht er unter dem Wagen hervor. Auf seiner Stirn prangt ein Ölklecks und ein knallroter Fleck, aus dem mit Sicherheit eine kleine Beule werden wird.
»Ich … es geht nicht. Ich kann nicht mehr auf George oder Patsy aufpassen und weiter mit dir zusammen sein. Es tut mir leid.«
»Sam – was ist denn los?«
»Nichts. Ich kann nur einfach nicht mehr. Das mit uns. Ich brauche eine Auszeit.« Er steht dicht vor mir, so nah, dass ich ihn riechen kann – Spearmint-Kaugummi, Schmierfett, Weichspüler.
Ich trete einen Schritt zurück. Ich muss es tun. So viel ist schon kaputtgegangen und ich zweifle keinen Augenblick daran, dass es Clay mit dem, was er angedroht hat, ernst ist. Dazu muss ich mich nur an seinen Gesichtsausdruck erinnern, als er davon gesprochen hat, wie weit er seine Vergangenheit hinter sich gelassen hat, an den unerbittlichen Klang seiner Stimme, als er Mom in jener Nacht angewiesen hat, zurückzusetzen und weiterzufahren. Wenn ich nicht mache, was er will, wird er alles Nötige tun, um die Garretts endgültig zu ruinieren. Viel würde es dafür nicht brauchen. »Ich kann das nicht«, wiederhole ich.
Jase schüttelt den Kopf. »Du kannst das nicht? Was hab ich getan, Sam? Ist es, weil ich gesagt habe, dass ich Zeit für mich brauche? Was auch immer es ist, gib mir wenigstens die Chance, es wiedergutzumachen.«
»Es liegt nicht an dir.« Der älteste und armseligste Schlussmach-Satz der Welt. Nur entspricht er in diesem Fall ausnahmsweise absolut der Wahrheit.
»Das bist doch nicht du, Sam. Ich kenne dich besser. Was ist los?« Die grünen Augen vor Sorge verdunkelt, tritt Jase noch einen Schritt auf mich zu. »Sag es mir, damit ich es in Ordnung bringen kann.«
Ich verschränke die Arme, weiche weiter vor ihm zurück. »Du kannst nicht alles in Ordnung bringen, Jase.«
»Mir ist noch nicht einmal klar gewesen, dass es überhaupt etwas in Ordnung zu bringen gibt. Ich verstehe es nicht. Sam, bitte. Rede mit mir.« Seine Stimme wird leiser. »Liegt es am Sex? Ging es dir zu schnell? Wir können es langsamer angehen lassen. Wir können … alles tun, was du willst, Sam. Oder ist es wegen deiner Mom? Sag mir, was ich tun soll.«
Ich drehe mich um. »Ich muss gehen.«
Er hält mich am Arm fest. Mein ganzer Körper scheint unter der Berührung zusammenzuschrumpfen.
Jase lässt seine Hand fallen und starrt mich ungläubig an. »Du willst nicht, dass ich dich anfasse? Warum?«
»Ich … ich habe alles gesagt. Ich muss jetzt gehen.« Und zwar so schnell wie möglich, bevor ich zusammenbreche und ihm alles erzähle – ganz gleich, was Mom und Clay dann tun.
»Du willst also gehen – einfach so? Jetzt sofort? Ohne Erklärung? Ich liebe dich, Sam. Du kannst nicht …«
»Ich muss.« Die Worte legen sich wie eine Schlinge um meinen Hals und drohen, mich zu ersticken. Ich drehe mich um und laufe die Einfahrt hinunter, versuche langsam zu gehen, nicht zu rennen, nicht zu weinen, nichts zu fühlen.
Ich höre, wie er mir folgt.
»Lass mich in Ruhe«, rufe ich ihm über die Schulter zu, beschleunige meine Schritte und stürze auf unser Haus zu, als wäre es eine schützende
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