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Mein Sommer nebenan (German Edition)

Mein Sommer nebenan (German Edition)

Titel: Mein Sommer nebenan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Huntley Fitzpatrick
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gestorben wäre, Mom? Der Vater von acht Kindern. Was würdest du dann tun?«
    »Er ist nicht gestorben. Clay hat von der nächsten Tankstelle aus angerufen und anonym die Polizei informiert. Wir haben nicht einfach so getan, als wäre nichts passiert.«
    »Doch, genau das habt ihr und tut es immer noch. Mrs Garrett ist wieder schwanger. Bald haben sie noch ein Kind mehr, aber es kann durchaus sein, dass Mr Garrett nie wieder einer Arbeit nachgehen kann! Lässt dich das wirklich kalt? Was verdammt noch mal ist los mit dir?«
    Mom reißt mir das Staubsaugerkabel aus der Hand und wickelt es auf. »Na bitte, da haben wir’s. Wer setzt denn heutzutage noch so viele Kinder in die Welt? Und wieso haben sie überhaupt eine so große Familie, wenn sie es sich nicht leisten können?«
    »Was soll aus Jase werden, wenn er nach den Ferien nicht an die Schule zurückkehren kann, weil er seinen Vater im Laden ersetzen muss?«
    »Ach so, darauf läuft es also hinaus, ja?«, zischt Mom. »Es ist genau so, wie Clay gesagt hat. Du lässt dich nur noch von deinen Gefühlen für diesen jungen Mann leiten. In Wirklichkeit geht es bei all dem nämlich nur um dich, Samantha.«
    Ich schüttle fassungslos den Kopf. »Es geht überhaupt nicht um mich!«
    Sie verschränkt die Arme und betrachtet mich mitleidig. »Wenn ich jemand anderen unbeabsichtigt angefahren hätte, einen Fremden, mit dem du nicht das Geringste zu tun hast, würdest du dich dann auch so verhalten? Würdest du dann auch von mir verlangen, dass ich wegen ein paar vorübergehender Probleme, die irgendjemandem entstanden sind, meine Karriere aufgebe?«
    Ich sehe sie einen Moment lang an. »Ich glaube, ja«, sage ich schließlich. »Ich hoffe es jedenfalls. Weil es das Richtige wäre.«
    Ihr verächtliches Schnauben weht ein paar Haarsträhnen aus ihrer Stirn. »Verschone mich, Samantha. Es ist so einfach, das Richtige zu tun, wenn man siebzehn ist und keine wichtigen Entscheidungen treffen muss. Wenn man weiß, dass es jemanden gibt, der sich um einen kümmert und alles in Ordnung bringt, egal, was man tut. Aber wenn man erwachsen ist, ist die Welt nicht mehr nur in Schwarz und Weiß unterteilt, und es zeigen keine hübschen kleinen Pfeile auf das, was richtig ist und falsch. Dinge passieren, Erwachsene treffen Entscheidungen, nur darum geht es unterm Strich.«
    »Unterm Strich geht es darum, dass du einen Mann über den Haufen gefahren und Fahrerflucht begangen hast …«, gebe ich zurück, als ihr Handy klingelt.
    »Das ist Clay«, sagt sie, nachdem sie einen Blick aufs Display geworfen hat. »Die Unterhaltung ist hiermit beendet. Was passiert ist, ist passiert, Samantha, und wir werden alle so weitermachen wie bisher.« Sie klappt das Telefon auf. »Honey! Aber nein, du störst überhaupt nicht. Natürlich, ich muss nur kurz ins Arbeitszimmer und es holen.«
    Ihre Absätze klackern über die Fliesen, als sie in der Diele verschwindet.
    Auf dem Boden liegen immer noch Glassplitter und Zitronen.
    Ich setze mich wieder auf den Hocker und lege die Wange auf die kühle Granitoberfläche der Küchentheke. Seit Tagen habe ich versucht, mich auf dieses Gespräch mit meiner Mutter vorzubereiten und bin im Kopf sämtliche Argumente durchgegangen, aber jetzt, wo ich sie vorgebracht habe, ist es, als hätte diese Unterhaltung nie stattgefunden.
    Abends klettere ich aus dem Fenster und setze mich auf meinen gewohnten Beobachtungsposten. Obwohl ich all die Jahre allein hier gesessen habe, fühlte ich mich auf einmal seltsam einsam, weil Jase nicht hier ist. Er verbringt die Nacht wieder im Krankenhaus. Durch das Küchenfenster der Garretts sehe ich Alice, die Geschirr spült. Der Rest des Hauses ist dunkel. Nach einer Weile fährt Mrs Garrett mit dem Kombi in die Einfahrt. Ich warte darauf, dass sie aussteigt, aber sie bleibt sitzen und starrt mit verlorenem Blick vor sich hin, bis ich den Anblick nicht mehr ertrage und zurück in mein Zimmer klettere.
    Nan hat gesagt, mir würde immer alles in den Schoß fallen.
    So hat es sich für mich zwar nie angefühlt, aber ich habe tatsächlich immer bekommen, was ich wollte, indem ich mir Mühe gegeben und zielstrebig darauf hingearbeitet habe.
    Diesmal ist das anders.
    Egal, wie viel Mühe ich mir gebe – und es gibt nichts, in das ich jemals mehr Energie gesteckt hätte – ich kann nichts tun, um die Situation für die Garretts erträglicher zu machen. Am meisten macht mir zu schaffen, dass es zwischen Jase und mir immer schwieriger wird.

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