Mein Sommer nebenan (German Edition)
»Ich meine, dass ihr … dass ihr was miteinander habt und er gleichzeitig dein Berater ist? Ich dachte, das wäre ein absolutes Tabu.«
Mom ist normalerweise immer sehr darauf bedacht, ihr politisches Engagement von ihrem Privatleben zu trennen. Vor ein paar Jahren hatte Tracy einmal vergessen, Geld mitzunehmen, um den Eintritt für die Rollerdisco zu bezahlen, aber der Besitzer, ein glühender Anhänger von Mom, meinte, das sei überhaupt kein Problem, und ließ sie umsonst rein. Am nächsten Tag ging Mom sofort mit Tracy dort vorbei und zahlte den vollen Preis, obwohl Tracy mit ihrem Schülerausweis eigentlich sogar Anspruch auf eine Ermäßigung gehabt hätte.
Mom zieht die Brauen zusammen. »Wir sind zwei erwachsene Menschen, Samantha, und beide ungebunden. Wir tun also nichts Verbotenes.« Sie reckt das Kinn leicht in die Höhe und verschränkt die Arme vor der Brust. »Außerdem gefällt mir dein Ton nicht.«
»Ich …« Aber da ist sie schon zur Abstellkammer gegangen und hat den Staubsauger herausgeholt. Kurz darauf erfüllt sein vertrautes Dröhnen das Haus.
Ich rühre wieder in meinem Smoothie und grüble darüber nach, wie ich das Ganze geschickter hätte angehen können. Als ich mit Michael und Charley zusammen war, hat Mom praktisch ihre komplette Leben durchleuchtet, bevor ich ihre Okay bekommen habe, von einigen der noch viel fragwürdigeren Typen, mit denen Tracy sich eingelassen hat, ganz zu schweigen. Aber wenn es um sie selbst geht …
Plötzlich gibt der Staubsauger ein gutturales Stottern von sich und verstummt. Mom schüttelt ihn, schaltet ihn aus und wieder an, versucht es noch mal – nichts.
»Samantha!«, ruft sie. »Hast du eine Erklärung dafür, was mit dem Staubsauger los ist?« Was, wie ich aus jahrelanger Erfahrung weiß, so viel heißt wie: »Bist du dafür verantwortlich?«
»Nein, Mom. Du weißt, dass ich ihn nicht anrühre.«
Sie schüttelt ihn noch einmal anklagend. »Gestern Abend hat er aber noch einwandfrei funktioniert.«
»Ich habe ihn nicht benutzt, Mom.«
»Das hat mir gerade noch gefehlt, dass das Ding den Geist aufgibt!«, fängt sie plötzlich an zu schreien. »Ausgerechnet heute! Clay kommt mit ein paar potenziellen Geldgebern für den Wahlkampf zum Abendessen, und das Zimmer ist erst halb fertig.« Sie knallt den Staubsauger auf den Boden.
Das Wohnzimmer ist wie immer in tadellosem Zustand. Man sieht noch nicht einmal, welche Seite sie gerade gesaugt hat. »Mom. Es ist blitzsauber. Keiner wird irgendetwas merken.«
Sie verpasst dem Staubsauger einen Tritt und sieht mich wütend an. »Aber ich werde es wissen.«
Okay.
»Mom …« Ich bin ihre Ausbrüche gewohnt, aber der Aufstand, den sie jetzt veranstaltet, kommt mir völlig übertrieben vor.
Ohne Vorwarnung reißt sie das Kabel plötzlich aus der Steckdose, hievt den Staubsauger hoch, geht durchs Zimmer, öffnet die Tür und wirft ihn nach draußen. Er landet krachend im Vorgarten. Ich starre sie an.
»Müsstest du nicht schon längst im Breakfast Ahoy sein, Samantha?«
Elftes Kapitel
D er Tag – wie sollte es anders sein – geht genauso mies weiter, wie er angefangen hat. Kaum bin ich zur Schicht im Breakfast Ahoy angetreten, kommen Charley Tyler und ein paar andere Jungs aus der Schule rein. Charley und ich haben uns im Guten getrennt, was ihn offenbar glauben lässt, er könnte ungestraft Kommentare à la »Ahoi, scharfe Meerjungfrau. Lust, auf meinen Hauptmast zu klettern?« von sich geben. Natürlich setzen sie sich an einen von meinen Tischen, Tisch acht, um genau zu sein, und schicken mich für jede Kleinigkeit extra los – mehr Wasser, noch etwas Butter, eine neue Flasche Ketchup –, einfach nur, weil sie es können.
Wenigstens geben sie großzügig Trinkgeld, als sie endlich zahlen. Charley zwinkert mir im Gehen lächelnd zu und setzt auf die Wirkung seiner Grübchen. »Das Hauptmast-Angebot steht immer noch, Babe.«
»Zieh Leine, Charley.«
Ich räume ihren komplett zugemüllten Tisch ab, als mich jemand an meinem Rockbund zupft.
»Hey, Sammy.«
Tim ist unrasiert, seine kastanienbraunen Haare sind total zerwühlt, und er trägt noch genau dieselbe Flanellpyjamahose, die er schon anhatte, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe – und das bei dieser Hitze. Es ist nicht zu übersehen, dass sie schon länger keine Waschmaschine mehr von innen gesehen hat.
»Ich bräuchte mal ein bisschen Kohle, Bonzentöchterchen.«
Das tut weh. Tim weiß, oder wusste zumindest mal, wie sehr ich
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