Mein Sommer nebenan (German Edition)
laufe auf den Flur hinaus. »Ich gehe jetzt duschen, Mom«, rufe ich über das Treppengeländer nach unten.
»Vergiss den Conditioner nicht!«, ruft sie zurück und klingt schon viel entspannter. Ich husche ins Bad, drehe das Wasser voll auf, kehre anschließend in mein Zimmer zurück und öffne das Fenster wieder.
Jase guckt ein bisschen ratlos. »Alles in Ordnung?«
»Mom übertreibt es gern ein bisschen mit ihrer Sorge um mich.« Ich klettere zu ihm nach draußen und setze mich neben ihn. Ein sanfter Wind streift über uns hinweg und die Sterne leuchten um die Wette.
»Es war mein Fehler. Ich bin gefahren. Lass es mich deiner Mom erklären. Ich kann ihr doch sagen …«
Ich stelle mir vor, wie Jase und meine Mutter aufeinandertreffen. Dass ich das allererste Mal in meinem Leben zu spät gekommen bin, weil ich mit »einem von diesen Garretts« zusammen war, würde sie in allem, was sie jemals über unsere Nachbarn gesagt hat, nur bestätigen. Das weiß ich genau.
»Das würde nichts nützen«, unterbreche ich ihn.
Er nimmt meine kalte Hand fest zwischen seine warmen Hände, als würde er spüren, dass es mich fröstelt. »Bist du sicher, dass es dir gut geht?«
Mir würde es gut gehen, wenn ich nicht die ganze Zeit Angst haben müsste, Mom könnte hochkommen, um sicherzugehen, dass ich auch ausreichend Conditioner benutze. Ich schlucke. »Ja, alles gut. Sehen wir uns morgen?«
Immer noch meine Hand festhaltend, beugt er sich zu mir herunter, haucht einen Kuss auf meinen Nasenrücken, wandert mit den Lippen zu meinen und lockt mich mit der Zunge. Als ich gerade beginne, mich seinem Kuss hinzugeben und zu entspannen, bilde ich mir ein, ein Klopfen zu hören.
»Ich muss rein. Ich … Bis morgen, ja?«
Er drückt meine Hand ein letztes Mal, dann lächelt er mich so süß an, dass sich mein Herz noch schmerzhafter zusammenzieht. »Ja. Bis morgen.«
Obwohl ich immer noch seine zarten Küsse auf meinen Lippen spüre, bin ich angespannt und unruhig. Da komme ich das erste Mal in meinem Leben zehn Minuten zu spät und schon bin ich ein Problem für Moms Wahlkampf? Vielleicht kriegen sie und die Masons ja Rabatt, wenn sie Tim und mich gemeinsam auf die Militärakademie schicken.
Ich drehe das Wasser ab und schlage geräuschvoll die Duschkabinentür zu. Wieder zurück in meinem Zimmer lasse ich mich aufs Bett fallen und schüttle das Kopfkissen aus. Ich weiß nicht, wie ich jemals einschlafen soll. Jede Faser meines Körpers ist angespannt. Wenn Charley Tyler sich in diesem Moment an mich ranmachen würde, würde ich ohne nachzudenken mit ihm schlafen, auch wenn ich wüsste, dass es ihm nichts bedeutet. Würde Michael tatsächlich Drogen nehmen und mir sofortiges Vergessen in Form irgendwelcher Pillen anbieten, ich würde zugreifen, obwohl ich es mir normalerweise dreimal überlege, bevor ich auch nur ein Aspirin nehme. Würde Jase noch einmal an mein Fenster klopfen und mich fragen, ob ich auf der Stelle mit ihm auf dem Motorrad nach Kalifornien abhaue, ich würde mit ihm gehen.
Was nützt es, die zu sein, die ich immer gewesen bin, wenn meine Mutter es noch nicht einmal merkt?
Fünfzehntes Kapitel
A ls ich das nächste Mal zum Babysitten rübergehe, nimmt Mrs Garrett mich in den Supermarkt mit, damit ich die Kinder ablenken und ihnen die Süßigkeiten aus den Fingern winden kann, während sie die aus Zeitschriften und Werbebeilagen ausgeschnittenen Gutscheine sortiert, Vorräte in den Wagen packt und mit geübter Schlagfertigkeit Kommentare anderer Kunden pariert.
»Na, Sie haben ja bestimmt alle Hände voll zu tun.« Den hört sie zum Beispiel ziemlich oft.
»Ja, und zwar mit lauter schönen Dingen«, erwidert sie ruhig, nimmt George eine Schachtel Schokopuffreis weg und stellt sie wieder ins Regal.
»Sie sind bestimmt streng katholisch«, lautet ein anderer.
»Nein, nur fruchtbar«, antwortet sie und schält geduldig Harrys Finger von einer Packung mit dem neuesten Transformer Action Hero.
»Das Baby braucht aber doch ein Mützchen«, belehrt sie eine verkniffen aussehende ältere Frau in der Tiefkühl-Abteilung.
»Danke für den Hinweis, aber seien Sie unbesorgt, zu Hause haben wir eine ganze Schublade voll mit hübschen Mützchen.« Mrs Garrett lässt eine Familienpackung gefrorene Waffeln in den Einkaufswagen fallen.
Als ich Patsy ein Fläschchen mit Saft gebe, fühlt sich eine Frau in Birkenstocks dazu veranlasst zu sagen: »Das Kind ist doch viel zu alt für das Fläschchen. Sie müsste längst
Weitere Kostenlose Bücher