Mein Traummann die Zicke und ich
habe ich dort erwartet? Ich weiß, was ich dort zu finden gehofft habe: Beweise. Hinweise darauf, ob mein Gesicht ihr noch etwas sagt. Vielleicht hat sie ja eine Dart-Zielscheibe draus gemacht oder so.
Ich werde wohl mit meiner Unwissenheit und der nagenden
Anspannung weiterleben müssen und mich an die Hoffnung klammern, dass sie sich nur noch schemenhaft und düster an mich erinnert.
Und in der Zwischenzeit muss ich mich eben ablenken.
Ich muss etwas tun, das meine eigene Erinnerung so gründlich aus den Ecken meines Hirnkastens entfernt wie diese Wunderstaubsauger, die bis in die letzten Winkel einer Wohnung reichen.
Ich lege die Arme von hinten um Sollies Schulter. »Ich kenne ein Zimmer, das garantiert nicht abgeschlossen ist«, hauche ich und küsse ihm den Nacken. Er bleibt mitten auf der Treppe stehen, als er meine heisere Stimme hört. »Willst du eine Führung durch meine Unterwäsche?«
Was für eine abgedroschene Anmache, die im Übrigen ja auch nur eine vorübergehende Linderung meines Zustands verspricht, aber zum Teufel damit, es ist schließlich nicht verboten, sich abzulenken, und außerdem sagt man ja, dass Angst einen scharf macht.
Heißem Sex folgt sanfter Schlummer, so tröstend wie eine warme Decke an einem kalten Tag, aber schon nach kurzer Zeit klappe ich die Augen wieder auf, und das erste Bild, das auf mich niederprasselt wie Münzen aus einem Spielautomaten ist das von Großinquisitor Torquemada in Schuluniform.
Ich schüttle den Kopf, um die Dämonen loszuwerden, und versuche mich auf all die Dinge hier zu konzentrieren, auf die ich mich so sehr gefreut hatte. Da ist zunächst einmal heute Nachmittag, denn heute werde ich Aidan kennenlernen.
Sollies besten Freund.
Ich freue mich wirklich.
Wir haben schon öfter am Telefon miteinander geredet, wenn er Sol sprechen wollte. Am Anfang waren es nur ein paar
Worte wie »Hallo, wie geht’s?«, bis Sollie nach ein paar Monaten immer um den Hörer kämpfen musste, um auch mal mit seinem Freund zu reden. Er ist ein so freundlicher, offenherziger Kerl, und obwohl es immer einen Unterschied macht, ob man mit jemandem nur am Telefon spricht oder sich direkt gegenübersteht, weiß ich schon jetzt, dass wir uns super verstehen werden. Er hat mir sogar ein paarmal gemailt, und seine Nachrichten klangen so lustig und ungezwungen, als wären wir alte Freunde, und nicht so, als wären wir uns noch nie begegnet. Ich mag ihn schon jetzt so sehr, dass ich es kaum erwarten kann, ihn endlich auch in natura zu treffen.
Im Gegensatz zu Sollie spricht er mit ausgeprägtem schottischem Akzent, mit rollendem R und lustigen kehligen Lauten. Und sein Lachen ist so ansteckend wie eine Grippe, die einen für Tage niederstreckt.
Es ist schön, dass Sollies bester Freund ein so toller Mann ist. Der beste Freund meines Ex war … Es gibt eigentlich nur ein Wort für ihn, das ich normalerweise nicht in den Mund nehme, das seinen Charakter aber so gut zusammenfasst, dass man mir verzeihen möge … Er war ein absolutes Arschloch . Na ja, mein Ex war schließlich auch eins, wie um die Richtigkeit des Spruchs »Gleich und Gleich gesellt sich gern« zu untermauern.
Als wir nach unten gehen, scheinen auch die anderen ganz aus dem Häuschen zu sein wegen des Neuankömmlings. Elspeth und Marilyn bereiten gerade einen Spezial-Willkommenzurück-in-Balcannon-Aidan-Lunch vor, sie sind in der Küche und lachen über eine seltsam geformte Karotte, die sie dann kichernd auf Onkel Silas’ Teller legen. Draußen hat Aric den Grill für ein Barbecue angeworfen, wobei es dafür eigentlich ein größeres Wort geben müsste. Hier ist ein Barbecue nicht einfach ein Grillabend, sondern eine richtig große Sache, wo
kleine poplige Gaskocher und verbrannte Burger nichts zu suchen haben. Stattdessen gibt es eine richtige Feuerstelle, über der ein armes, aber köstlich aussehendes Wesen in Rigor mortis auf einem großen Metallspieß steckt. Sollies Dad steht diesem Fleischritual vor – mit sichtlichem Vergnügen und einer Schürze, auf der in schwarzen Lettern CHEF steht.
Was ist das nur mit Männern und Fleisch?
Vielleicht befriedigt es einen archaischen Jagdinstinkt, den schnelle Autos und Computerspiele allein nicht besänftigen können.
Was für die anderen Männer das Fleisch ist, scheint für Onkel Silas der Cocktail-Shaker zu sein.
»Geh nach Hause, Tom Cruise!«, ruft er strahlend, während er schüttelt und rührt.
Fröhliche Musik dringt durch die offenen Fenster
Weitere Kostenlose Bücher