Mein Traummann die Zicke und ich
Einen Moment lang denke ich, sie will streiten, aber dann sehe ich den Ausdruck in ihrem Gesicht – er ist entschuldigend. Oder das Essen ist ihr nicht bekommen.
Sie braucht ein bisschen, bevor sie es sagen kann.
»Ich dachte, ich komme lieber und rede mit dir … Ich meine, es ging nicht um uns heute Abend …«
Seltsamerweise unterbreche ich sie. »Wie ist das möglich, wenn alles, was du gesagt hast, eine gemeine Anspielung auf früher war?«
Sie beißt sich auf die Unterlippe. Die zwei nächsten Worte treffen mich unerwartet.
»Ich weiß.«
Und die drei danach auch.
»Tut mir leid.«
Ich sehe sie einen Moment lang total verloren an, und dann zeigt sie auf den leeren Küchentisch hinter uns.
»Komm, setzen wir uns für einen Augenblick.«
Als wir sitzen, seufzt sie tief.
»Vielleicht habe ich mich doch nicht so sehr verändert, wie ich es gern hätte. Ich ärgere mich über etwas, und dann lasse ich es an Leuten aus, die es nicht verdient haben. Ich habe mich heute Abend so wahnsinnig über Jonathan aufgeregt … Und dann habe ich dich angegriffen anstatt ihn, es tut mir wirklich sehr leid …«
»Jonathan?«, frage ich schon wieder überrascht.
Ihre Augen blicken hoch zur Decke. »Sag nicht, du hast nicht bemerkt, wie er war. Ich habe ihn eine Woche lang nicht gesehen, und er hat nichts Besseres zu tun, als dieser Kellnerin
hinterherzuglotzen … Es war so offensichtlich, so peinlich …« Sie hält inne und sieht mich erwartungsvoll an.
»Meinst du wirklich?«, frage ich vorsichtig. »Das ist mir überhaupt nicht aufgefallen.«
Sie stemmt die Hände in die Hüften und neigt den Kopf zur Seite, und für eine Sekunde bin ich wieder in der Schule. Diese Geste ist so typisch Pippa.
Wenn sie eine Bestätigung von mir erwartet hat, war sie bei mir an der falschen Adresse.
Aber dann lächelt sie erleichtert.
»Ehrlich nicht?«
»Ehrlich nicht. Mir ist auch aufgefallen, wie hübsch sie war …«
»Ich würde eher sagen ordinär …«, unterbricht sie mich und sieht wieder verärgert aus.
»Und ich habe gesehen, dass Sollie sie verstohlen begutachtet hat, und als er gemerkt hat, dass ich ihn dabei beobachtet habe, ist er netterweise wenigstens rot geworden …«
Der verärgerte Ausdruck wird schwächer.
»… Aber Jonathan? Der hat sie doch nicht einmal bemerkt.«
»Bist du sicher?«
»Absolut. Ich sage das nicht nur, um dich zu beruhigen.« Wenn das keine kuriose Wendung der Situation ist. Ich spiele die Trösterin, weil sie sich einbildet, dass ihr Mann mit einer Kellnerin geflirtet hat.
Einen Moment lang strahlt sie ein breites und leicht manisches, betrunkenes Lächeln, aber dann nimmt ihr Gesicht sofort wieder einen traurigen Ausdruck an. »Ich muss zugeben, dass ich auch nicht gerade angetan davon war, wie viele Komplimente er dir gemacht hat. Aber so ist er nun mal. Ich sollte mich langsam dran gewöhnt haben, und wenn er zu mir auch
so reizend wäre, würde es mir auch nichts ausmachen, aber ich kriege immer nur die Beschwerden ab, niemals die Komplimente, vielleicht verstehst du jetzt, warum ich so war, und dann noch der viele Wein, und jetzt hasst du mich natürlich wieder, und ich kann mich ja auch nicht deswegen beschweren, ich komme mir so furchtbar vor. Ich bin furchtbar. Aber das weißt du ja am besten …«
Und dann sinkt sie wie ein Häufchen Elend auf der Tischplatte zusammen.
Ich sehe sie an und weiß nicht, ob ich sie trösten oder ihr nicht doch lieber ein Messer in den Rücken jagen soll, um sie und mich von ihrem Elend zu erlösen.
Aber sie überrascht mich mit einem weiteren Geständnis.
»Er hat mich betrogen, weißt du. Ich habe es vor ungefähr zwei Wochen herausgefunden. Er hat geschworen, dass es eine einmalige Sache war, und hat mich gebeten, noch mal von vorn anzufangen, aber es tut so weh, Violet … Was ist, wenn er es noch mal tut? Er hat mir zwar versprochen, es würde nie wieder vorkommen, aber was heißt das schon?«
Endlich finde ich meine Sprache wieder. »Menschen können sich verändern«, sage ich und hoffe, dass meine Worte auch auf sie zutreffen.
Sie hört auf zu weinen und sieht mich mit fiebrigen Augen an, dann nickt sie. »Du hast recht. Nur weil sich jemand in der Vergangenheit schlecht benommen hat, heißt das noch lange nicht, dass er es auch in Zukunft tun wird. Ich meine, schau dir uns an. Wer hätte gedacht, dass wir beide noch einmal Gelegenheit bekommen würden, Freundinnen zu werden, Schwestern zu werden. Weißt du, ich bin wirklich
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