Mein ungezähmter Highlander
sich zogen. Zu fest. Sodass klar war, dass sich auch Bessie im Gegensatz zu dem, was sie gesagt hatte, Sorgen machte, dass sie einander wohl länger nicht mehr sehen würden – wenn es denn je wieder dazu kommen sollte.
Colin räusperte sich und zeigte damit an, dass der Moment des Abschieds vorüber war.
»Liebste Bessie, sei glücklich. Robert und seine Töchter brauchen dich. Mach dir meinetwegen keine Sorgen. Ich bin stark.« Nach einem letzten Kuss auf die weiche Wange der Gefährtin ihrer Kindheit drehte sie sich um und stieg in das wartende birlinn .
Hohe, dünne Nebelschwaden zogen über das vollkommene Rund des schillernden Mondes, als das birlinn von der Festung ablegte. Sie winkte der schnell kleiner werdenden Gestalt von Bessie zu, die einsam am Fuß der Treppe zur Bucht stand.
Das eintönige Geräusch der Ruder, die gleichmäßig ins Wasser tauchten, erfüllte die Stille im Boot. Keiner sprach ein Wort. Männer, die gestern noch ohne weiteres mit ihr gelacht
hatten, behandelten sie jetzt wie eine Aussätzige. In einem birlinn voller MacLeods fühlte sie sich mutterseelenallein. Isabel saß zusammengekauert im Boot, und um sich vor neugierigen Blicken zu schützen, hatte sie die Kapuze ihres Umhangs tief ins vom Weinen aufgedunsene Gesicht gezogen.
Der Kreis hatte sich geschlossen – das Schicksal gewonnen. Als Feinde hatten sie sich kennen gelernt, als Feinde hatten sie sich getrennt.
Ein letztes Mal hob sie ihre rot geränderten Augen zu den grauen Mauern auf, die langsam im Nebel verschwanden, während sie verzweifelt mit von Tränen verschleiertem Blick versuchte, sich die trutzige Burg einzuprägen, die sie lieben gelernt hatte. Aufs Neue überkam sie tiefe Gram, als ihr Blick zum obersten Stockwerk des Feenturmes schweifte, zu jenem vertrauten Fenster, an dem sie gestern noch gestanden und glücklich nach draußen geschaut hatte.
Als hätte jemand die Richtung bemerkt, in die ihr Blick geschweift war, trat ein Schatten vom Fenster zurück. Einen Moment lang stockte ihr der Atem. Ihr Herz begann vor Hoffnung zu rasen. Bitte, gib mir ein Zeichen, irgendein Zeichen. Sie blinzelte nicht einmal, aus Angst, ihr könnte etwas entgehen. Sie ließ das Fenster des Feenturmes nicht mehr aus den Augen und hoffte inbrünstig mit jeder Faser ihres Körpers auf ein Zeichen, dass ihr vergeben sei. Sie griff nach dem seidenen Faden, der sie miteinander verbunden hatte, sie griff nach irgendetwas, an dem sie sich festhalten konnte. Sie schaute so lange, bis der Turm zu einem gespenstischen Grau verschwamm und vom Nebel verschluckt wurde. Das Band riss.
Der Traum war vorbei.
Ihr Herz war in zwei Teile gebrochen – ein Teil von ihr war für immer fort. Es war in einer alten geliebten Festung geblieben, um dort zu verdorren.
23
Das Geräusch einer sich öffnenden Tür brach den Frieden dumpfer Einsamkeit. Rory wusste, dass er froh sein musste, ihnen so lange hatte ausweichen zu können. Isabel war jetzt seit fast einem Tag fort. Margaret und Alex hatten in Anbetracht der Umstände eine bemerkenswerte Nachsicht aufgebracht, doch auch ihre Geduld war allmählich zu Ende, und sie hatten ihn in der Bibliothek aufgespürt. Er wollte nicht darüber sprechen, aber er hatte Verständnis für ihre Fragen. Wenn er nur Antworten gehabt hätte.
Rory richtete den Blick wieder auf den Kamin. Die letzten Stunden hatte er damit verbracht, völlig regungslos ins Nichts zu schauen. Der anfängliche Schmerz wegen des Verrats war einer allgemeinen Betäubung gewichen. Er ließ sich tief in seinen Sessel sinken und nahm einen großen Schluck cuirm , damit die Leere in ihm zumindest für eine kurze Zeit gefüllt war.
Sie standen neben ihm und warteten.
Schließlich fiel Margaret neben ihm auf die Knie und ergriff seine Hand. »Was ist passiert, Rory? Willst du uns nicht sagen, warum du Isabel weggeschickt hast?« Sie deutete mit ihrem Blick auf den Krug, der neben ihm stand. »Ich habe dich noch nie so gesehen. Es macht mir Angst. Ich habe nie erlebt, dass du deine Sinne mit Alkohol betäubst.«
Wenn es doch nur so einfach wäre , dachte Rory. Er blickte in das verwirrte und verzweifelte Gesicht seiner Schwester und verfluchte Isabel MacDonald aufs Neue. Dieses Mal wegen ihres Verrats an seiner Familie – er war nicht der Einzige,
der wegen ihrer Heimtücke völlig am Boden zerstört war. Rory holte tief Luft und zählte leidenschaftslos noch einmal im einzelnen die Ereignisse auf, die dazu geführt hatten, dass er
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