Mein ungezähmter Highlander
war völlig unergründlich gewesen.
Niemals zuvor hatte sie einen Mann getroffen, der weniger geneigt war, sich »blind« seinen Gefühlen hinzugeben – oder sich gar zu verlieben. In der Tat stellte es eine große Herausforderung dar, unter seine Rüstung aus Stahl zu gelangen.
Sie biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte zwar keine Abneigung gespürt, aber seine distanzierte Höflichkeit hatte sie zutiefst enttäuscht. Ihr Onkel hatte sie ganz offensichtlich an der Nase herumgeführt. Rory MacLeod hatte sich keineswegs um diese Verbindung gerissen.
Zumindest war ihre Befürchtung, dass er ein brutaler Barbar sein könnte, nicht bestätigt worden. Ganz im Gegenteil: Er schien eine angeborene Zuvorkommenheit zu besitzen. Obwohl er nicht über die geschliffenen Manieren der Männer aus dem schottischen Tiefland verfügte, würde er bei Hofe nicht durch sein schlechtes Benehmen, sondern wegen seiner beeindruckenden Größe und der Würde seines Gebarens auffallen.
Viele der Qualitäten des MacLeod bewunderte sie, doch gerade diese Qualitäten würden ihr nicht gerade dabei helfen, ihr Ziel zu erreichen. Es würde um einiges schwieriger werden, sein Vertrauen zu gewinnen, als sie es sich erhofft hatte.
Während sie sich im Spiegel betrachtete, steckte sie sich vorsichtig die verbliebenen Strähnen hoch und rückte noch einmal den diamantenbesetzten Kranz auf ihrem Kopf zurecht. Sie schaffte es einfach nicht, ihr Unbehagen und den Gedanken daran, etwas Falsches zu tun, zu verdrängen. Aber hatte sie denn überhaupt eine Wahl? Ohne ihre Hilfe würde ihr Clan untergehen. Die Lage der MacDonalds war verzweifelt, und sie musste ihrem Clan einfach helfen.
Doch nicht allein das Schicksal ihres Clans hatte sie hierhergetrieben.
Solange sie zurückdenken konnte, war sie immer wie ein Schatten ihrer älteren Brüder gewesen. Ob diese nun jagten, ob sie spielten oder ihre Fertigkeit im Schwertkampf verbesserten – immer war sie hinter ihnen hergelaufen. Wenn sie ihr erlaubten mitzumachen, dann ließ sie es sich nicht zweimal sagen. Und wenn sie es ihr nicht erlaubten, dann versteckte sie sich irgendwo im Gebüsch, um sie beobachten zu können.
Meistens hatten sie sie jedoch einfach ignoriert.
Verzweifelt darum bemüht, nicht ausgeschlossen zu werden, hatte Isabel alles versucht, damit sie sie beachteten. Aber was immer sie auch tat, ob sie sie nun herausforderte oder ihren Mut bewies, nichts brachte sie ihren Brüdern und dem Vater näher. Stattdessen behandelten sie sie wie den ewigen Nachkömmling. Wie eine Außenseiterin. Eine absolut unwichtige Außenseiterin. Ihre Brust zog sich schmerzlich zusammen, als sich dort wieder die nur allzu bekannte Leere ausbreitete.
Schon vor Jahren hatte sie erkannt, wie ihre Brüder und ihr Vater wirklich zu ihr standen, aber der Gedanke daran schmerzte noch immer. Doch die Tränen ihrer Kindheit waren schon seit langem getrocknet. Nur selten erlaubte sie sich zu weinen und in Selbstmitleid zu versinken. Und doch waren ihre schmerzhaften Erinnerungen mehr als nur Erinnerungen – es waren die Überreste ihrer Kindheitsträume. Noch immer sehnte sie sich nach ihrer Liebe und ihrem Respekt. Diese Sehnsucht war es, die sie nach Dunvegan gebracht hatte.
Das erste Mal in ihrem Leben brauchten sie sie.
Nur mit ihrer Hilfe hatte ihr Onkel endlich zugestimmt, ihren Vater bei seinem Kampf gegen die Mackenzies um ihre Heimat, Strome Castle, zu unterstützen. Ihr Clan war auf die Macht ihres Onkels angewiesen, um zu überleben. Und
Sleat seinerseits hatte eine schöne Frau gebraucht. Eine schöne Frau, die den MacLeod dazu verführen würde, die Geheimnisse seines Clans zu enthüllen. Diese Geheimnisse würden Sleat nicht nur in die Lage versetzen, die MacLeods für immer zu vernichten. Sie würden ihm zudem dazu verhelfen, die uralte Lordship of the Isles zurückzuerlangen.
Mit zwei Dingen hatte Sleat sie beauftragt: Erst sollte sie einen geheimen Zugang zur uneinnehmbaren Burg der MacLeods finden, und dann sollte sie den wertvollen und magischen Talisman, das Feenbanner, stehlen. Wenn man der Legende Glauben schenken wollte, dann war das Banner die mystische Quelle der Kraft der MacLeods, die sie schon zweimal vor der Vernichtung bewahrt hatte.
Noch jetzt zog sich ihr Magen zusammen, wenn sie an die Dinge dachte, die man angedeutet, aber nicht ausgesprochen hatte. Sie würde nicht darum herumkommen. Sie musste dieses Banner an sich bringen – zur Not auch durch Verführung. Doch
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