Mein ungezähmtes Herz
Ecke verkriechen, in der man mich nicht vermutet – wo ich leicht übersehen werden kann.«
Del nickte.
»Ich würde wetten, dass er genau das getan hat. Und in der Hinsicht haben die Zimmer auf der nächsten Etage wesentlich mehr zu bieten.«
Vane und Patience kamen aus dem Wintergarten. Während Vane den Kopf schüttelte, schaute Patience an sich herunter und zog ihr Kleid gerade.
Von weitem rief Devil:
»Alles klar?«
Vane antwortete für ihren Flügel. Gabriels Stimme meldete sich aus einem anderen. Im Erdgeschoss war Sangay nicht.
»Also dann!«, brüllte Devil, »alle zurück in die Eingangshalle und rauf in den ersten Stock.«
Wie gut gedrillte Truppen gehorchten sie.
Die gründliche Suche kostete Zeit; als Deliah und Del zusammen mit allen anderen über die große Treppe in den zweiten Stock hinaufstiegen, begann das Tageslicht schon zu verblassen.
Die Männer wirkten bereits ein wenig grimmig.
Als Deliah mit einem kurzen Seitenblick an Del vorbei in das erste Zimmer ging, das sie überprüfen sollten – ein geräumiges Schlafzimmer –, schnaubte sie insgeheim.
»Ich muss sagen, dass Honorias Vorschlag, in Paaren zu suchen, sehr klug war, nicht nur, weil die Räume dann mit verschiedenen Augen betrachtet werden.« Sie blieb am Fuß des Himmelbetts stehen, stemmte die Hände in die Hüften und sah sich um.
»So wird euer Jagdeifer wenigstens etwas gebremst.«
Mit einem verständnislosen Blick in ihre Richtung steuerte Del auf den Kleiderschrank zu, der an einer Wand stand.
»Wir sind nicht jagdeifrig.«
»Oh doch, das seid ihr – selbst du. Oder zumindest würdest du auf einen Jungen, der weiß, dass du hinter ihm her bist, so wirken.« Deliah fing mit dem Bett an, bückte sich, schaute darunter und klopfte dann den am Kopfende aufgetürmten Kissenberg ab.
Auch wenn Sangay Del ein wenig kannte, war der Colonel nach wie vor ein Mann der Tat – ein erprobter Soldat. Obwohl Deliah ihn noch nie in Uniform gesehen hatte, war seine Körperhaltung eindeutig: dieser gerade Rücken und die Art, wie er sich bewegte.
Wie um ihre Erinnerung aufzufrischen warf sie unwillkürlich einen Blick auf ihn.
Del, der sich gerade vom Schrank abwandte, fing den Blick auf und hielt ihn fest. Dann zog er fragend eine Braue hoch.
»Was ist?«
Deliah winkte ab.
»Ach nichts.« Ihr war plötzlich unerklärlich heiß geworden, deshalb drehte sie sich um und ging zum Fenster.
Del sah zu, wie sie die Kissen auf der breiten Fensterbank untersuchte und sich dann auf die kunstvoll drapierten Vorhänge konzentrierte. Ihre Hände waren fahrig. Dazu dieser
musternde Blick zuvor … auch wenn sie es abstritt, das hatte etwas zu bedeuten. Verriet irgendetwas.
Darüber, wie sie ihn sah.
Und nach dem Entschluss, den er am Morgen gefasst, wegen der Suche aber noch nicht umgesetzt hatte, wollte, ja musste er das unbedingt wissen.
Außerdem mussten sie beide, anders als die Paare, die er bislang gesehen hatte, die Pause, in der sie etwas anderes als Zimmer erkundeten, erst noch machen.
Auf leisen Sohlen schlich er um das Bett und stellte sich hinter Deliah.
Als sie mit der Fensterdekoration fertig war, drehte sie sich um – und landete in seinen Armen.
Auch wenn sie sichtlich erschrak, fühlte ihr Körper sich sofort heimisch und entspannte sich, als er sie umschlang.
Besorgt schaute Deliah zur Tür. Dann klappte sie den Mund auf – doch ihre Einwände interessierten ihn nicht.
Schnell drückte Del seine Lippen auf ihre und gab ihr einen langen, langsamen, eindringlichen Kuss, raubte ihr nach und nach den Atem, den Verstand und die Sinne, damit sie nur noch an eines dachte – an ihn.
Raffiniert verwickelte er sie in ein stummes Zwiegespräch, das er dann für seine Zwecke nutzte.
Der zärtliche Austausch sollte ihr etwas klarmachen, deshalb legte er sein ganzes Herz in diesen Kuss.
Ließ die Gefühle fließen, von ihm zu ihr.
Damit sie wusste, was er empfand und was er suchte. Ruhe, Frieden und Glück.
Auch Spaß, ja natürlich, doch darüber hinaus etwas, das für ihn noch wichtiger und nötiger war … sie.
Nur sie, ganz dicht an seiner Seite.
Ihr weicher Körper in seinen Armen.
Ihre Lippen an seinen.
Ihre Zuneigung. Dass sie einfach da war.
Für ihn.
Die Absicht hinter diesem Kuss, seine echte, schlichte Ehrlichkeit und Direktheit, war nicht misszuverstehen. Deliah kam es so vor, als wären alle Schranken gefallen, als hätte Del irgendeinen Schutzschild abgelegt, so viel näher und verbundener
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