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Mein Vater der Kater

Mein Vater der Kater

Titel: Mein Vater der Kater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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liefern können? Aber Dr. Watson stand ja gar nicht mehr zur Verfügung, um Fragen zu beantworten oder zu irgendwelchen Anschuldigungen Stellung zu nehmen.
    Als ich am folgenden Abend in den Klub kam, war ich auf der Hut und hellwach und ließ meinen Blick auf der Suche nach Anzeichen verstohlenen Belustigtseins von einem Mitglied zum anderen wandern. Nichts. Ich las die Times von der ersten bis zur letzten Seite, die langen Kolumnen voller Anzeigen und Ankündigungen eingeschlossen. Ich nahm das Essen an einem für sich stehenden Tisch ein, und als Hugh, der Ober, »einen heißen Vogel und eine kalte Flasche« in Vorschlag brachte, regte sich sofort Argwohn in mir. Es war jedoch nur das Tagesgericht. Ich wählte statt dessen ein kleines Schweinekotelett und einen Salat.
    Es war erst halb acht, und ich wollte schon wieder in meinem Sessel eindösen, als Arno, der Portier, den Hauptraum des Klubs mit einem Päckchen betrat, von dem ich instinktiv wußte, daß es an mich adressiert war. Es hatte genau dieselbe Größe und das Aussehen des gestrigen und war von irgendeinem namenlosen Straßenjungen abgegeben worden. Mich überlief ein Schauder purer Angst, als ich es öffnete und hineinschaute, wobei ich allerdings dafür sorgte, daß niemand sehen konnte, wie ich auf den Inhalt reagierte.
    Es war ein zweiter toter Kanarienvogel.
    Ich bin mir bis heute nicht sicher, warum mich der Anblick derart erschreckt hat. Ich glaube, es war die schiere Sinnlosigkeit dieser sadistischen Gaben. Ich untersuchte das Einwickelpapier und besah mir die Druckbuchstaben, in denen mein Name und der des Klubs geschrieben waren, sehr genau, aber ich konnte keinerlei brauchbaren Hinweis entdecken. Ich dachte an Mr. Sherlock Holmes, den Mann, der Hutkrempen zu deuten wußte, und lächelte ironisch. So ein Pech, daß Dr. Watson nicht da war – ich hätte ihm eine Herausforderung bieten können, die ganz dazu angetan gewesen wäre, seinen genialen Freund am Ende vielleicht doch noch in Verwirrung zu bringen.
    An den beiden nächsten Abenden wurden keine toten Vögel abgegeben, und ich machte mir schon Hoffnungen, daß die Streichespielerei ihren Reiz verloren hatte und es bei den zwei Vögeln bleiben würde. Als der nächste Morgen heraufzog, hatte ich eine neue, beruhigende Theorie entwickelt, nämlich daß die toten Vögel für einen ganz anderen Empfänger bestimmt gewesen waren, vielleicht für ein Klubmitglied, dessen Name dem meinen ähnelte. Ich verspürte Erleichterung. Ich fragte Muggeridge vor dem Abendessen, ob ich mich zu ihm setzen dürfe, und er erklärte huldvoll sein Einverständnis. Auch andere Klubmitglieder plauderten wieder mit mir. Die Auseinandersetzung mit Dr. Watson schien vergessen. Und für den Augenblick waren das auch die beiden toten Kanarienvögel.
    Um zehn Uhr paffte ich zufrieden eine Havanna und gewahrte, einmal kurz aufblickend, den Portier, der mit einem mir nur zu bekannten Päckchen vor mir stand. Ich bin sicher, daß mein Gesicht die Farbe der Asche, die an der Spitze meiner Zigarre hing, annahm. Ich griff nach dem Rockschoß Arnos und fragte ihn, wer das Päckchen gebracht habe, aber er sah mich nur verständnislos an.
    »Aber das weiß ich nicht, Sir«, sagte er. »Das Päckchen stand unten auf dem Tresen, als ich zur Arbeit kam. Es war ... einfach da.«
    Mich schauderte, und ich schauderte weiter, bis eines der Klubmitglieder es bemerkte. Der gute Mann fragte, ob ich mich verkühlt hätte, und riet mir, nach Hause zu gehen und einen heißen Zitronensaft zu trinken. Ich folgte seinem Rat und ging nach Hause, schmiß aber zuvor das Päckchen in die Abfalltonne neben dem Eingang zum Klub. Ich hatte schon hohes Fieber und blieb die nächsten vier Tage im Bett.
    Als ich endlich in den Klub zurückkehrte, war auch Dr. Watson wieder da.
    Ich gab mir alle Mühe, der Versuchung zu widerstehen, brachte es jedoch nicht fertig. Ich trat zu ihm, raffte alle Demut zusammen, deren ich fähig war, und sagte: »Ich glaube, ich muß mich bei Ihnen entschuldigen, Dr. Watson. Als wir uns das letzte Mal sahen, habe ich wohl ein paar unpassende Bemerkungen gemacht. Ich hoffe. Sie vergeben mir meinen ... gesunden Skeptizismus bezüglich Ihres Freundes Holmes.«
    »An Holmes wird oft gezweifelt«, sagte er widerwillig. »Aber wenn Sie miterlebt hätten, was ich gerade miterlebt habe ... Ein Mann, der ein geflecktes ... ha, nur Holmes war in der Lage, sein schreckliches Geheimnis zu lüften...«
    »Nun, auch ich habe eine

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