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Mein Vater der Kater

Mein Vater der Kater

Titel: Mein Vater der Kater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Mundwinkel waren nach unten verzogen wie bei einem traurigen Zirkusclown. Sie sagte: »Ist dir an diesen Einbrüchen gar nichts aufgefallen? Alle Häuser liegen entweder an der Carver Road oder an der Pinchpenny Lane. Man könnte von hier aus in fünf Minuten hinkommen.«
    »Willst du damit sagen, daß ich der Einbrecher bin?« fragte ich gutmütig. »Ich könnte das Geld ganz zweifellos gut gebrauchen.«
    »Nein, Corky«, antwortete Georgia (Corky ist mein Spitzname), »du hast keinen so guten Geschmack. Und offensichtlich haben wir nicht die Art von Haus, die einen Einbruch lohnt.«
    Das brachte ihren Bruder zum Lachen. »Du bist beleidigt, was?« bemerkte er. »Ich werd‘s dem Einbrecher sagen, wenn wir ihn geschnappt haben.«
    »Und du glaubst wirklich, daß euch das gelingen wird?«
    »Wir überprüfen gerade ein paar Register, die beim FBI liegen. Bleibt dran, Kinder, es könnte gut sein, daß ihr mich in den Sechs-Uhr-Nachrichten seht.«
    Am nächsten Tag mußte ich im Büro Überstunden machen. Ein kleiner Scherz. Bei Gribbin &. Katz machte niemand j e Überstunden. Harry Gribbin war immer der Ansicht, er mache seine besten Geschäfte auf dem Golfplatz. Und Katz ging um vier zu seinem Therapeuten. Alle anderen Mitarbeiter waren um fünf weg. Einige zogen sich in die nächstgelegene Bar zurück, und ein paar wenige gingen tatsächlich nach Hause. Ich suchte Bunny Hellstrom auf.
    Die Wahrheit ist, daß ich Bunny eigentlich gar nicht mehr aufsuchen wollte. Ich hatte die Miete der vergangenen drei Monate für ihr winziges Häuschen am Stadtrand bezahlt, aber das war schon kein Spielplatz mehr. Irgendwie hatte ich, nachdem unsere Beziehung aus der Motel-Phase raus war und ich in erster Linie die Verantwortung für noch ein Heim mit Wasserleitungsreparaturen, einem zweiten zu mähenden Rasen, Pizza-Essen und schmutzigem Geschirr am Hals hatte, das Interesse an Bunny verloren. Sie hatte ihre Versuche eingestellt, sich für mich schön zu machen. Sie begrüßte mich in schäbigen Hauskleidern, zumeist mit einer ganzen Litanei von Klagen über das ausbleibende warme Wasser, verschmutzte Fensterscheiben oder abgebrochene Knäufe an der Klotür. Vor allem aber klagte sie über ihren Job im Restaurant, nölte ständig, wie lange sie denn nun noch in diesem Drecksladen bleiben müsse, wann endlich mal was passieren würde.
    Bunny schien sich an Versprechen erinnern zu können, die ich nie gegeben hatte. Sie nahm an, meine Ehe sei hinüber. Sie war begeistert, als sie in der Lokalzeitung ein Bild von Georgia entdeckte, das bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung aufgenommen worden war – und zwar so, daß sie darauf dick aussah. Georgia hatte es ebenfalls gesehen und daraufhin eine Wasserdiät begonnen, die sie fast ins Krankenhaus von Fairdelle gebracht hätte. Immerhin verlor sie ihr matronenhaftes Aussehen. Die Wahrheit ist, daß sie danach hübscher aussah denn je.
    Weshalb ging ich dann eigentlich überhaupt noch zu Bunny? Aus dem gleichen Grund wie in den zurückliegenden Wochen. Ich wollte da raus. Ich war es leid, einen zweiten Hausstand zu finanzieren. Ich war Bunnys und ihrer einseitigen Gesprächsbeiträge müde. Ich wollte die Scheidung von meiner Geliebten, wenn sich denn diese beiden Begriffe hier anwenden lassen.
    Aber gleichzeitig fiel es mir – was ganz normal ist – schwer, das Thema anzusprechen. Bunny hatte mir immer so viel zu erzählen. Sie hatte wegen einer Rechnung Streit mit MasterCard. Ihr Zahnarzt wollte ihre unteren Zähne überkronen. Ihr mieser fieser Ex-Mann forderte die Rückgabe des Wagens (er war auf seinen Namen zugelassen). Der Drink, den ich zu mir nahm, fing an, in meiner Brust zu brennen wie Säure.
    Bunny mußte gespürt haben, in welcher Verfassung ich mich befand. Sie war nicht dumm. Sie wurde sanft, schlang die Arme um mich und hauchte einen Kuß auf meine Augenlider. Sie murmelte etwas so langsam, daß ich mich genötigt sah, sie zu bitten, es mir zu wiederholen.
    »Ich muß dir etwas zeigen«, sagte sie. »Etwas ganz Besonderes.«
    Sie ging ins Schlafzimmer. Als sie zurückkam, hielt sie etwas Glitzerndes in der Hand. Ich erkannte die Uhr, die ich ihr vor fast einem Jahr geschenkt hatte. Das war gewesen, als die Leidenschaft noch heftig gewesen und eine sechstausend Dollar teure Uhr von Cartier noch nicht extravagant erschienen war. Bunny setzte sich neben mich aufs Sofa und gab mir die Uhr. Einen Augenblick lang dachte ich, sie werde jetzt etwas Vernünftiges sagen wie zum

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