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Mein Vater der Kater

Mein Vater der Kater

Titel: Mein Vater der Kater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Beispiel: »Verkauf sie und bezahl ein paar unserer Rechnungen.« Nichts dergleichen. Was sie sagte, war: »Dreh sie mal um. Sieh dir die Rückseite an.«
    Ich folgte ihrer Aufforderung. Auf der Rückseite war erst kürzlich etwas eingraviert worden. Ich las:
    Für Bunny von ihrem Schatzilein Corky.
    Als sie meinen Gesichtsausdruck sah, gluckste sie fröhlich. Sie dachte, ich sei vor Freude sprachlos. Natürlich lag sie mit dieser Annahme voll daneben. Mir war speiübel von so viel Blödheit.
    »Warum hast du das gemacht?« fragte ich. »Warum hast du nicht einfach die Zeitung angerufen und eine Anzeige aufgegeben?«
    Sie bedachte mich einmal mehr mit ihrem patentierten Schmollen. »Wovor hast du Angst? Daß jemand das liest?«
    »Es gibt in dieser Stadt nicht allzu viele Bunnys. Und außer mir keinen Corky, soweit ich weiß.«
    »Na schön!« explodierte sie. »Ich wünschte, es würd‘s jemand lesen. Ich würde die Uhr gern deiner dicken, fetten Frau schicken, damit sie sieht, was die Stunde geschlagen hat. Sie könnte mal allmählich in die Scheidung einwilligen, wie sie es dir versprochen hat... «
    »Was für eine Scheidung? Ich habe nie gesagt, daß ich mich scheiden lassen will.«
    Ihr Mund öffnete sich wie das Maul eines verendenden Fisches. »Du hast mir gesagt, deine Ehe sei ein Fehler gewesen. Daß du dir wünschst, du hättest mich vor ihr kennengelernt.«
    Okay, vielleicht habe ich das ja gesagt. Oder etwas in der Art. Vor einem Jahr. Das war einmal, und jetzt war jetzt. Ich sagte ihr das alles nicht, aber es mußte mir ins Gesicht geschrieben gewesen sein. Sie sprang auf, als hätte das Sofakissen Feuer gefangen.
    »Da ist noch etwas, was ich dir zeigen muß«, sagte Bunny. »Etwas, was ich ihr nicht schicken wollte, jedenfalls noch nicht. Erst, wenn es gar nicht mehr anders geht.«
    Sie ging zu einem verschrammten alten Schreibtisch, kämpfte mit einer klemmenden Schublade und kam dann mit einem Bogen blau liniertem Papier zu mir zurück. Sie warf ihn mir zu, und mein Magen drehte sich schon wie die Trommel einer Waschmaschine, obwohl ich noch nicht einmal den Anfang dessen, was auf dem Papier geschrieben stand, gelesen hatte.
    »Liebe Mrs. Corcoran«, hieß es da, »Sie kennen mich nicht, aber ich Sie besser, als Sie denken...«
    Ich handelte instinktiv und zerriß den Bogen.
    »Nur zu«, meinte Bunny, »das ist nur der Entwurf. Wenn du den fertigen Brief sehen willst, dann schau in deinen Briefkasten. – Nein«, setzte sie dann hinzu, »ich überbringe ihn wohl doch besser persönlich. Wann, meinst du, würde es am besten passen, Corky?«
    »Nie!« sagte ich mit erstickter Stimme.
    »Mann, das ist jetzt aber mal die ganz falsche Antwort«, erwiderte Bunny. »Jetzt weiß ich, daß ich besser nicht mehr warte. Diese Woche, am Donnerstag. Mein freier Tag. Ist das etwa ein blöder Tag, um an ihm freizuhaben? Ich unternehme eh nie etwas. Hänge bloß rum und starre in die Glotze. Magst du Seifenopern, Corky?« Ihre Stimme hatte doch tatsächlich einen ironischen Tonfall. Das war bei Bunny etwas ganz Neues. »Ich führ dir eine Seifenoper vor, Baby. Dir und deiner Frau, euch beiden.«
    Da ging‘s mit mir durch. Ich packte sie am Arm und zog sie aufs Sofa zurück. Sie hatte keine Angst. Sie lachte. Ich war derjenige, der Angst hatte, denn ich konnte mich nicht daran hindern, das zu tun, was ich tat. Sie hatte einen dünnen Hals. Ich konnte ihn praktisch mit einer Hand umspannen, aber eine war bei meiner unkontrollierbaren Wut nicht genug. Ich wollte sie nicht umbringen, aber, Himmel ja, ich tat es natürlich. Ich wollte sie aus meinem Leben wieder raus haben, und es gab keine andere Möglichkeit. Wut hin, Wut her, ich stellte mir schon die Folgen meiner Tat vor, dachte voraus und überlegte, was ich zu tun haben würde, um sicherzustellen, daß man mich nie mit der Tat in Verbindung brachte.
    Als sie so dort lag, halb auf dem Sofa, halb auf dem Boden, rot im Gesicht und zugleich kreidebleich, ging ich ihren Brief suchen, von dem ich annahm, daß er tatsächlich existierte.
    Das tat er auch. Er steckte in der obersten Schublade ihres Sekretärs im Schlafzimmer. Bunny hatte eine überraschend schöne Handschrift, aber ihre Grammatik war hoffnungslos.
    Ich öffnete alle Schubladen und kramte darin herum. Ich dachte natürlich das Wort ›Einbrecher‹, was nicht der Ironie entbehrte. Niemand würde dem wählerischen Einbrecher von Fairdelle Bunnys schlimmes Ende anhängen, aber ich mußte der Polizei so

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