Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Vater der Kater

Mein Vater der Kater

Titel: Mein Vater der Kater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
Vom Netzwerk:
Veränderung völlig entgangen ist. Mein armer Hundekopf vermochte die herausgehobene Stellung, die du in der Welt der Menschen einnahmst, nicht zu erfassen. Mir ist die Bedeutung dieses weißen Raumes im Keller, dieser seltsamen Gegenstände und des feuerspeienden Apparats, der grotesken Maschinen mit ihren Skalen und Meßuhren, des großen Glasschranks mit seinen gewundenen metallischen Innereien niemals klargewesen.
    Dann kam der Regenschirmmann. Ja, ich denke an ihn noch immer als an den Regenschirmmann, und auch das Bild dieses schwarzen, klatschenden, tropfenden Schirms steht mir noch lebhaft vor Augen. Ich wußte in dem Augenblick, in dem du ihn ins Haus hereingelassen hast und er dieses häßliche Ding direkt vor mir ausschüttelte, daß er mich nicht mochte. Aber sein barscher Ton und sein rüdes Verhalten waren noch übler.
    »Dein Problem, Rudolf, ist, daß du zum Einsiedler, zum Spinner geworden bist«, sagte der Regenschirmmann zu dir. »Es sind Männer wie du, die die Wissenschaft in Verruf bringen!«
    »Und was soll ich deiner Ansicht nach machen?« fragtest du lächelnd. »Einen ordentlichen Anzug tragen? Heiraten und Kinder großziehen?«
    »Die Ehe würde dir guttun. Der Mann braucht eine Frau.«
    »Aber welche Frau braucht mich?« erwidertest du, ach, so traurig. »Siehst du irgend etwas an mir, mein Freund, das eine Frau, und sei sie selbst auch noch so wenig anziehend, nicht abstoßen würde? Diese ganze Unterhaltung ist Zeitverschwendung. Ich möchte dir lieber mal von meinen Fortschritten bei dem Experiment berichten –«
    »Du meinst, von deiner Spinnerei!« brüllte der Regenschirmmann.
    Wie sehr er dich verletzt hat, mein Geliebter! Ich konnte die Wunde, die er dir beigebracht hatte, sehen, ich konnte sie spüren, sie wittern. Als er wieder fort war, jaulte ich aus Mitgefühl, denn ich teilte deine Traurigkeit.
    Aber dann kam der Tag!
    Erinnerst du dich an den Tag, Rudolf? An jenen schicksalhaften Tag, als du mich liebevoller denn je zu dir riefst, aber doch mit einer so anderen Stimme als sonst, daß ich vor Unsicherheit zitterte? »Komm her, mein kleines Hundchen«, hast du geflötet. »Komm zu Rudolf.«
    Die Liebe überwand meine Angst, und ich sprang dir in die Arme. Und dann trugst du mich sanft und behutsam in diesen verwirrenden, sterilen Raum unter dem Haus, hobst mich in diesen glasumkleideten Schrank und stelltest dich ruhig vor das große, glitzernde Pult mit den Meßgeräten, Skalen und Schaltern.
    Selbst noch, als der Blitz in der Kammer niederkrachte, als der Donner über meinen Kopf hinrollte, als die feinen Haare meines Fells, vom Strom gepackt, hochstanden, als die Dunkelheit in meinen Schädel einströmte, liebte ich dich.
    Werden wir jenes Erwachen je vergessen können?
    Als ich die Augen öffnete, blendeten mich Farben. Die Rottöne der Menschenwelt kreischten mich an, die Gelbtöne versengten mich, die Blautöne ließen mich frösteln. Ich dachte (für einen Hund ein schrecklicher Gedanke!), daß ich den Verstand verloren hätte. Dann wurden die Farben zu Formen, und ich erblickte dein sanftes Gesicht und deine Hände. Ich bellte, aber aus meiner Kehle kam kein Bellen.
    Es war ein Schluchzen.
    Dann hobst du mich auf. Wie soll ich dir meine Verzückung beschreiben, als sich meine Pfoten und deine Hände ineinanderschlangen, als deine Finger leicht über meine seidige, felllose Schulter strichen?
    »Du bist schön«, flüstertest du. »Schön...«
    Dann trugst du mich zum Spiegel. Ich sah dieses Gesicht, weiß wie die Milch, die du immer in meine Schale gegossen hast. Diese Augen, noch immer braun, aber so anders in ihrem menschlichen Kontext. Diese Lippen, rot wie Blut und danach verlangend, auch die Worte bilden zu können, die du zu mir sprachst. Und dieser Frauenkörper, Rudolf. Dieser weiße, biegsame, gerundete Körper, der niemals der deine sein kann...
    Wie ich dich geliebt habe und immer noch liebe, Rudolf. Und wie du dich nach mir verzehrt hast, wie du mich deinen Liebling genannt, mich beschworen, dich vor mir erniedrigt hast. Wie du dich damit abgemüht hast, mich die Lebensweise der Menschen, ihre Sprache und auch – unglückseligerweise – ihre Form der Liebe zu lehren.
    Und ich habe meine Lektionen nicht gelernt. Ich habe dich enttäuscht, Rudolf, und deshalb muß ich dir Lebewohl sagen, deshalb muß ich das, was dich an dein Scheitern erinnert, für immer aus deinem Blickfeld entfernen.
    Ach Rudolf! Welch ein schrecklicher Gott herrscht über das

Weitere Kostenlose Bücher