Mein Vater der Kater
Selbstmord denken.«
»Sollen sie doch denken, was sie wollen«, sagte Mitch und grinste dabei. Mir fiel nicht auf, wie breit dieses Grinsen war – er zeigte praktisch schon eine zweite Reihe Zähne. »In dem Vertrag ist keine Selbstmord-Klausel enthalten, und selbst wenn sie unsere Ansprüche auf dieser Grundlage anfechten wollten, könnten sie es doch nie und nimmer beweisen.« Inzwischen zappelte er schon vor Aufregung auf dem Stuhl herum. »Marty, die Sache steht! Du kannst dich auf diesen kleinen Inseln versteckthalten, von denen du mir immer vorgeschwärmt hast. Du kannst den ganzen Tag lang in einer Hängematte am Strand rumfaulenzen, mit einem rumhaltigen Getränk in der einen Hand und einer Inselschönheit in der anderen –«
»Und was ist mit Vanessa?«
»Vanessa muß die trauernde Witwe spielen«, antwortete Mitch hart. »Ich bin nicht sicher, ob wir sie überhaupt einweihen sollten. Du weißt ja, wie die Frauen sind –«
»Wir sind noch kein Jahr verheiratet! Sieh mal, du bist Junggeselle, du kannst so leicht über Bord gehen wie ich. Wie wär‘s, wenn wir beide einen kleinen Trip unternehmen, du säufst dir einen an, das Deck ist rutschig –«
»Das nehmen die uns nie ab, Marty, das weißt du genau. Diese Versicherungsfritzen würden den Braten riechen. Und vielleicht einen Lügendetektor-Test verlangen oder so etwas... Du würdest zusammenbrechen und wahrscheinlich im Kittchen landen... Für Vanessa bist du hinter Gittern von wahrhaft großem Nutzen.«
Ich fing an zu stöhnen. Ich war an den Punkt gelangt, wo ich die ganze Idee sausenlassen wollte, und das entging Mitch nicht. Er legte mir den Arm um die Schulter.
»Okay, okay, wir sagen Vanessa die Wahrheit. Sie wird uns verstehen, denn sie versteht was vom Geschäft. Ich würde sie allerdings lieber erst informieren, wenn es passiert ist, damit sie nicht die falschen Sachen zur falschen Zeit vor falschen Ohren sagt. Leuchtet dir das ein?«
Das tat es nicht, aber ich spürte bereits die Unausweich- lichkeit schwer auf mir lasten. Und stellte mir schon die Frage, auf welcher Insel ich die nächsten paar Monate in unruhiger Einsamkeit verbringen wollte.
28. Oktober
Eigentlich hatte ich täglich Tagebuch schreiben wollen, aber wie man sehen kann, bin ich faul geworden. Wer würde jedoch nicht faul werden in dieser Hitze, in dieser reglosen Luft, bei dieser Stille, die so beherrschend ist, daß selbst die Brandungswellen nur leise murmelnd auf den Strand zu gleiten wagen?
Als ich zum letzten Mal auf Quiton war, hatte ich die Idee, einen Artikel über die Inselbewohner zu schreiben, aber das ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Sie sind auf unbestimmte Weise asiatischer, manche auf noch unbestimmtere Weise spanischer Herkunft, sprechen aber alle ein Kauderwelsch, das absolut unverständlich ist. Meistens lachen sie nur. Sie treffen sich auf der Straße, sehen sich an und brechen schon in Gelächter aus. Sie benutzen das Kichern an Stelle längerer Darlegungen, das Glucksen an Stelle von Sätzen. Das beste an ihnen ist, daß sie die am wenigsten neugierigen Menschen sind, die ich je erlebt habe. Selbst nach meinem Namen hat mich hier noch nie jemand gefragt. Manchmal werde ich mit ›Mister‹ angesprochen, aber andere – und vor allem die, die mir was verkaufen wollen – sagen auch ›Boss‹ zu mir.
Ich mußte meinen Namen nur einem Menschen nennen, nämlich der einzigen Amtsperson auf dieser Insel, deren Autorität durch eine verblichene Khakiuniform und ein Abzeichen, das bis zur Unkenntlichkeit verrostet ist, bestätigt wird. Der Mann gab mir eine weiße Karteikarte, und ich trug ›Christopher Bailey‹ ein, als Beruf Journalist, dazu eine fiktive Adresse in Milwaukee. Er warf nicht einmal einen Blick darauf, sondern die Karteikarte in eine Schublade zu anderen Karteikarten, darunter wahrscheinlich auch die, die ich bei meinem vorigen Besuch ausgefüllt hatte, der jetzt gute zehn Jahre zurückliegt. Es gab kein Hotel mehr auf der Insel, aber der Beamte empfahl mir freundlicherweise eine Mrs. Motley. Sie kicherte, als sie mich sah, und bot mir eines ihrer drei ›Gästehäuser‹ an, einen Bungalow mit nur einem Raum direkt am Strand. In dem Bungalow befindet sich ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl und ein Ventilator an der Decke.
Ach ja, die ›Barracuda‹.
Trotz der Abmachung mit Mitch habe ich sie nicht richtig versenkt. Er wollte mein Ableben dadurch augenfälliger machen, daß das Boot im Pazifik versenkt oder – noch besser –
Weitere Kostenlose Bücher