Mein Vater der Kater
Stelle.
Jetzt mal ganz ruhig bleiben. Ernie arbeitet ganz prima mit den Brüdern Broadbeam zusammen. Ist die schnellste Möglichkeit, die Firma in Vorbereitung deiner Ruckkehr von den Toten zu vergrößern Okay?
Ich war besänftigt, aber nicht voll beruhigt.
Okay, aber Rückkehr muß bald erfolgen. Schlage eine ›Weihnachtsüberraschung‹ vor. Mein Gedächtnisschwund wird dadurch geheilt, daß ich im Radio ›Herbei, o ihr Gläubigen‹ höre. Freundliche Eingeborene schippern mich heim zu herzlichem Empfang. Da soll kein Auge trocken bleiben.
Darauf erhielt ich keinerlei Antwort.
Tag für Tag durchforschte ich die Websites der Wirtschaftspresse, aber über die neue Firma war absolut gar nichts zu finden.
21. Dezember
Endlich eine Erwähnung der Firma in Computer World. Nicht in einem Artikel, sondern in einer Bildunterschrift. Es war ein Bildbericht über die Weihnachtsfeiern verschiedener Unternehmen. Bill Gates, der sein Millionenlächeln an die Mitarbeiter von Microsoft verschenkt. Glückliche Gesichter bei Intel, Bell, Adobe und einem halben Dutzend weiterer Laden, und auf einem Bild auch eine handverlesene Gruppe von Woods & Webfoot, die mit Champagner auf ihre Zukunft trinkt. Das schmierige Grinsen von Ernie Johnson. Die trottligen Gesichter von John und Kevin Broadbeam. Und natürlich auch mein grienender Partner Mitchell Woods, den Arm um ein fantastisch aussehendes junges Ex-Model gelegt, das glücklich kichert. Vanessa hat noch nie besser ausgesehen.
2. Januar
Ich weiß nicht, was schlimmer ist: das eintönige Bild des leeren Strandes vor meinem Bungalow oder das Viereck meines Laptop. Ich habe beide jetzt fast drei Monate lang angestarrt, und vielleicht mache ich nie wieder Urlaub in den Tropen, schaue ich nie wieder auf den Monitor eines Computers.
Natürlich muß ich weiter draufschauen. Mein ganzes Leben besteht aus Pixeln, und wenn ich wieder in Cuper tino bin, dann werden die Bildschirme sehr viel weniger auf die Augen gehen. Auch nicht die Bilanzen von Normonics Inc. – Verzeihung, von Woods & Webfoot. Ich gewöhne mich besser mal an den neuen Namen, und Woods & Webfoot gewöhnt sich besser mal an mich. Aus der Weihnachtsüberraschung ist nichts geworden, aber es wird eine Januarüberraschung, vorausgesetzt, der Frachter ›Carolina‹ läuft zwischen hier und San Francisco nicht allzu viele Häfen an. Als ich die Passage buchte, ging der Kapitän davon aus, daß es nicht mehr als vierzehn Tage auf See werden würden. Er machte mich warnend darauf aufmerksam, daß die Unterbringung alles andere als komfortabel sein würde – und warm. Die einzige Kabine, die für Passagiere zur Verfügung steht, liegt direkt neben dem Maschinenraum.
Jetzt sitze ich mit gepackter Reisetasche da und habe einen funkelnagelneuen Tropenanzug an, den ich im Kaufhaus von Quiton für ganze hundertzehn Dollar erstanden habe. Alle E-Mails, die irgendwie belastend sein könnten, sind schon gelöscht, diese letzte eingeschlossen.
Mitch – hier die Story. Ich bin nicht ertrunken. Die Barracuda hatte einen Maschinenschaden und das Funkgerät fiel aus, deshalb bin ich mit dem Gummifloß zur Insel Quiton gerudert. Unglückseligerweise stürzte ich als ich an Land ging schwer und kam mit einer Kopfverletzung und ohne den blassesten Schimmer, wer ich war und was ich dort trieb, wieder zu mir. Weihnachten brachte mir dann ein freundlicher Eingeborener ein Radio und ließ mich Weihnachtslieder hören – und da ist mir alles wiedergekommen. Sag noch einer, es gäbe keine Wunder, was ? Wie auch immer, ich werde bald daheim sein und bereit, mich wieder in die Arbeit zu stürzen. Dein Partner
Ich mußte grinsen, als ich die Nachricht losschickte. Ich bezweifle, daß Mitch das auch getan hat, als er sie las.
Ein Mordslärm da draußen. Ich erkenne das Wummern des Hubschraubers, der manchmal Touristen von einer der größeren Inseln nach Quiton herüberbringt... aber dieser Helikopter landet auf meinem Strand. Jawohl, da kommen die Touristen. Drei Mann hoch. Stadtanzüge, Sonnenbrillen. Vielleicht Immobilienleute, die Bauland erschließen. Aber einer kommt mir bekannt vor. Sieht Mitch sehr ähnlich. Derselbe flotte Watschelgang. Nimmt jetzt die Sonnenbrille ab. Heiliger Strohsack, das ist Mitch! Da hat der Bursche am Ende also doch beschlossen, das einzig Richtige zu tun. Ha, ich werde also nicht zwei Wochen auf See zubringen, mir die schwüle Enge dieser Kajüte antun müssen, sondern stilvoll nach Hause fliegen. Eins
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