Mein verräterisches Herz: Roman (German Edition)
und ging weiter in Richtung See. Wieder musste sie laufen, um ihn einzuholen, und wieder packte sie ihn am Ärmel. Doch anstatt stehen zu bleiben, fasste Alex einfach nach ihrer Hand und ging weiter; ihren Versuchen, sich zu befreien, schenkte er keine Beachtung.
»Wofür soll ich mich denn entschuldigen?«, fragte sie. Ihr Ton war so steif wie ihre Finger, die sich in die seinen gruben.
»Weil ich so erschrocken bin, dass mich das zehn Jahre meines Lebens kosten wird.« Am schmalen Steg bei der Anlegestelle blieb er stehen und ließ sie vorangehen, ehe er sie
an der Hand nahm, um sie an der Flügelstrebe des Wasserflugzeugs vorbeizulotsen. »Ich muss wissen, ob du mich nicht absichtlich zu Tode erschrecken wolltest.«
Sie versuchte, sie beide zum Stehenbleiben zu bewegen, doch Alex ging ans Ende der Anlegestelle, erst dann hielt er inne und drehte sich zu ihr um. »Okay. Das ist eine gute Stelle für eine Entschuldigung. Wir sind allein, und der Mondschein ist so hell, dass ich erkennen kann, ob du es ehrlich meinst.«
»Ich werde mich nicht entschuldigen! Schließlich war nicht ich diejenige, die herumgeschrien und geflucht hat.«
Alex verschluckte ein Lachen. »Drei einfache Worte, Sarah. ›Tut mir leid.‹ Und dann kannst du mich küssen.«
Wieder blieb ihr der Mund offen stehen, und ihre Schultern spannten sich an. »Ich werde dich nicht küssen.«
»Warum nicht?«
»Warum nicht?«, wiederholte sie fassungslos.
Alex nickte. »Ja, was ist denn so schlecht daran, wenn sich zwei Erwachsene, die sich einig und noch dazu verheiratet sind, im Mondschein küssen?«
»Wir sind nicht verheiratet. Nicht rechtmäßig«, wandte sie ein und ließ ihren Blick auf seine Brust sinken.
»Unsere Ehe ist legal, solange ich keinen Einspruch erhebe«, rief er ihr in Erinnerung. Er hob ihr Kinn an, damit sie ihn ansehen musste. »Mache ich dir Angst, Sarah?«
»Ja … das heißt, nein«, erwiderte sie nun bestimmter und befreite ihr Kinn. »Ich habe vor dir keine Angst wegen … wegen dieser ersten Nacht.«
»Ich glaube dir nicht«, erwiderte er leise. »Die ganze Woche über bist du mir ausgewichen.«
»Aber heute war ich mit dir zusammen.«
»Aber nur, weil du deiner Neugier nachgegeben hast. Ein Kuss, Sarah, damit ich weiß, dass du nicht für immer Abscheu vor Männern empfindest.«
Sie schnaubte doch tatsächlich. »Wenn Roland Banks es nicht geschafft hat, mir die Männer zu vermiesen, wird es dir auch nicht gelingen.«
Alex umfasste ihre Schulter fester. »War er gewalttätig?«
Sie riss die Augen auf und schüttelte den Kopf. »Er hat nie Hand an mich gelegt.«
»Gewalt ist nicht immer körperlich. Was hat er dir angetan?«
»Roland war ein Ekel und ein Tyrann, allerdings war er wie ein bellender Hund, der nicht beißt. Ich habe gelernt, seine Anfälle zu ignorieren – wie bei dir jetzt auch.«
Alex überging ihren Seitenhieb und ließ sich vom Thema nicht abbringen. »Warum hat er dich geheiratet, wenn er sich aus Frauen nichts gemacht hat?«
»Weil er nicht wollte, dass seine Veranlagung auf der Insel bekannt wurde.« Sie neigte den Kopf zur Seite und blickte zu ihm auf. »Und welch einen besseren Weg gäbe es, seine Homosexualität zu verbergen, als eine Ehe mit einer hübschen Siebzehnjährigen, die zu naiv und vom Kummer zu überwältigt ist, um es besser zu wissen?«
»Sarah, wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Schwule verstecken sich heutzutage nicht mehr hinter einer Ehe.«
»Wenn sie in einem kleinen, abgelegenen Fischerdorf leben, in dem es noch zugeht wie vor hundert Jahren, tun sie das sehr wohl. Roland wäre geächtet worden, hätte man sein
Geheimnis entdeckt, und seine Mutter hätte eine enorme Demütigung hinnehmen müssen.«
»Warum hast du dich nicht scheiden lassen, als du erkannt hast, dass die Ehe ein Fehler war?«
»Da war es schon zu spät.« Sie senkte den Blick auf seine Brust. »Und ich hatte eine Schuld abzutragen.«
»Was für eine Schuld?«
Sie blickte auf. »Ich stand in der Schuld von Roland sowie von seiner Mutter. Sie haben ihr Haus verkauft und sind zu mir gezogen, als mein Vater vom Dach stürzte. Sie haben mir im Betrieb geholfen und in den neun Monaten bis zu seinem Tod Dad gepflegt. Es war Martha Banks’ Idee, dass Roland und ich heiraten sollten. Ich konnte nicht gut ablehnen und sie nach allem, was sie für mich getan hatten, hinauswerfen. Sie hätten nicht gewusst, wohin.«
Sarah entzog sich seinem Griff und drehte ihm den Rücken zu, um auf
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