Mein verräterisches Herz: Roman (German Edition)
wollte, konnte sie doch auch jetzt schon in eine der Hütten ziehen, oder nicht?
Sarah trat hinter einen großen Baum, als sie Alex um das Haus herum und zur rückwärtigen Veranda hinaufgehen sah. Er blieb mit der Hand an der Drahtgittertür stehen und schaute sich auf dem vom Mond erhellten Hof um, dann ging er hinein. Sarah lief am Rand des Hofes entlang, die Reihe von geparkten Fahrzeugen zwischen sich und dem Haus, und nahm dann vorsichtig den dunklen Pfad, der zum Whirlpool führte. Wenn sie eine der Hütten bezog, würde sie ein paar Meilen zwischen sich und Alex legen und dennoch nahe genug sein, um Delaney und Tucker mehrmals in der Woche sehen zu können. Nun, die Lodge lag tatsächlich drei Meilen entfernt an der Hauptstraße. Das bedeutete, dass
entweder sie oder die Kinder so weit gehen mussten, wenn sie einander sehen wollten. Aber das hatte sie doch von Anfang an geplant, oder nicht?
Sarah betrat das Deck, in das der Whirlpool eingelassen war, und hob die Abdeckung vom dampfenden Wasser. Ihre kleinen Ersparnisse, die sie von ihrem jetzigen Gehalt abgezweigt hatte, und das Geld, das ihr aus der Zeit geblieben war, als sie ihre Pension betrieb, sowie die paar Schecks, die Clara aus New York geschickt hatte, würden rasch dahinschmelzen, wenn sie jetzt schon auszog anstatt erst im Frühjahr. Die Lodge würde mehrere Monate keinen Ertrag abwerfen, und sie hatte eigentlich geplant, ihre Ersparnisse als Startkapital zu verwenden.
Vielleicht konnte sie für die Knights ja weiterhin jede Woche an ein paar Tagen putzen und kochen – während sie bei der Arbeit waren, so dass sie Alex nicht häufiger sehen musste als nötig.
Es war eine traurige Tatsache, dass Sarah fast pleite war, da Martha Banks ihren Anteil an der Pension auf Crag Island ihrem zweiten Sohn Brian hinterlassen hatte, obwohl sie über fünfzehn Jahre lang keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt hatte. (Brian musste ein sehr intelligenter Bursche sein, weil er mit siebzehn nach Boston ausgerissen war.) Sie konnte also nicht einmal ihren Anteil verkaufen, um so zu Geld für ihr neues Unternehmen zu kommen, da ihr stiller und bislang ahnungsloser Teilhaber schlichtweg nicht auffindbar war. Seit Marthas Ableben hatten ihre Anwälte die Suche nach ihm aufgenommen, und Sarah blieb nur zu hoffen, dass sie bald Erfolg hatten, damit ihr Brian Banks ihre Hälfte des Besitzes abkaufen konnte. Es war für sie ungeheuer
wichtig, die Sport-Lodge von Grady zu pachten. Zwölf Jahre lang hatte sie ihren Betrieb mit Martha Banks teilen müssen, die Lodge hingegen würde allein ihr gehören, und sie konnte dort nach Belieben schalten und walten.
Sarah schlüpfte aus ihrer Jacke, schleuderte die Schuhe von sich und verharrte völlig reglos, als sie sich umschaute und die Ohren spitzte, denn schließlich wollte sie sich sicher sein, dass sie ungestört war. Dann zog sie sich aus, stieg in den Whirlpool und ließ sich bis zum Kinn ins Wasser sinken.
Das war ihr kühnstes Zugeständnis an Dekadenz: hüllenlos ins heiße Wasser zu steigen. Einen ganzen Monat hatte es gedauert, bis sie sich ein Herz gefasst, sich entblättert hatte und ins Wasser geglitten war, obwohl Grady sie immer wieder ermutigt hatte, den Whirlpool zu benutzen. Ach, es war einfach zu schön, wenn das dampfende Wasser um ihre nackte Haut sprudelte. Wie wagemutig und wie sündig sie doch war!
Sarah lächelte, als sie ihre Brüste unters Wasser drückte. Beim ersten Mal war sie aus dem Haus geschlichen, nachdem alle zu Bett gegangen waren, hatte sich heimlich in den Whirlpool gewagt und war dann im Wasser in hysterisches Gelächter ausgebrochen. Nie hätte sie sich vorgestellt, dass Brüste im Wasser treiben konnten, aber diese verdammten Dinger waren irgendwie schlimmer wie Angelkorken. Und als sie das erste Mal die Sprudeldüsen eingeschaltet hatte, war ihr die eigene Anatomie gleichsam um die Ohren geflogen.
Sarah stützte seufzend den Kopf auf den Rand des Whirlpools und starrte durch die wirbelnden Dampfschwaden zum Mond hinauf, dessen sanfter Schein durch die Bäume fiel.
Morgen, wenn alle fort waren, wollte sie auf den Dachboden gehen und den Geschäftsplan, den sie bis jetzt erstellt hatte, Seite für Seite durchgehen. Es war nicht mehr als ein Ordner voller Listen und Aufstellungen: ausgebildete Führer, die sie für Angel- und Jagdausflüge sowie für Wildsafaris einstellen wollte, Vorräte, die sie für jede der acht Hütten und das Haupthaus benötigte sowie eine Liste aller Zeitungen
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