Mein verräterisches Herz: Roman (German Edition)
gedrückt. »Delaney, kannst du Tuck aus dem Bett scheuchen und dazu bewegen, dass er sich anzieht?«
»Vielleicht sollte ich heute nicht in die Schule gehen«, sagte Delaney. »Ich könnte dir helfen, Sa … Mom zu pflegen.«
»Abgesehen von den mit Klettband an den Händen befestigten Socken habt ihr euch doch über meine Pflege nicht beklagen können, damals, als ihr an diesen Giftefeu geraten seid«, meinte Alex gut gelaunt. »Ich glaube, ich komme mit Sarah allein zurecht.«
Aber kam sie mit ihm zurecht? Diese Frage drängte sich ihr auf, als sie rasch ihre Pille hinunterspülte. Sie stellte ihr Glas auf den Tisch, damit sie ihre heilen Finger auf dem Schoß verschränken konnte. Bitte, bitte, lass Delaney zu Hause bleiben, betete sie still. Doch das Sausen der Schwingtür verriet, dass ihr Schicksal besiegelt war. Sie war dazu verdammt, den Tag einer viel zu intensiven Pflege ausgeliefert zu sein.
Wieder war das Geräusch der Schwingtür zu vernehmen, und die Küche füllte sich. Ethan, Paul und Gradys Kommentare wechselten zwischen Besorgnis und Witzen über ihr Äußeres, das einem Alien aus dem Weltall glich. Ein süßer Alien freilich, wie Grady tröstend meinte, ehe er ihr eine geharnischte Strafpredigt hielt, weil sie die Birne vom Whirlpool ausgetauscht hatte.
Die Witze nahmen kein Ende, bis Tucker mit lautem Knall in die Küche gerannt kam und Sarah so fest umarmte,
dass sie aufschrie. »Ich hätte auch gern bei dir geschlafen«, sagte er, und Sarah spürte, dass seine kleine Hand ihren Salbenverband berührte. »Tun dir die Augen weh?«, flüsterte er überlaut. »Wie ist es, wenn man nicht sehen kann?«
»Sehr frustrierend«, erklärte Sarah, nach seiner Wange tastend, um sie zu tätscheln. »Kannst du mir einen der Stöcke bringen, die wir gefunden haben – die von den Bibern angenagt wurden? Ich könnte ihn benutzen, um mich damit voranzutasten.«
»Mach dir nicht die Mühe, Tuck«, sagte Alex von irgendwo neben dem Herd. »Sie kann nicht gehen, deshalb braucht sie auch keinen Stock zum Herumtasten.«
»Wie willst du schreiben?«, fragte Tucker. Sarah spürte, wie er ihre verbundene rechte Hand berührte. »Du kannst ja keinen Stift halten.«
»Ich bin Linkshänder wie dein Daddy«, sagte sie zu ihm. »Ist aber egal, ich sehe ja ohnehin nichts.«
»Ach, daran habe ich gar nicht gedacht. Werden sie sich schälen?«
»Was?«
»Daddy sagte, deine Augäpfel wären verbrannt. Werden sie sich schälen wie damals meine Arme, als ich Sonnenbrand hatte?«
»Nein, sie werden sich nicht schälen«, erklärte Alex auflachend, diesmal neben dem Tisch. »Setz dich und iss, damit du den Bus nicht verpasst.«
Und so ging es die nächste halbe Stunde weiter. Zwischen Witzeleien wurden Vermutungen angestellt, was sie da wohl zum Essen vorgesetzt bekommen hatten. Dem Geschmack
nach war es ein Käse-Pilz-Omelette mit angebrannten Zwiebeln, dazu verkohlten Toast. Als die Küche sich leerte, die Männer zur Arbeit fuhren und die Kinder zum Bus liefen, der bereits hupend in der Zufahrt stand, senkte sich plötzlich Stille wie ein Bleigewicht über die Küche.
»Na, wirkt deine Schmerztablette ?«, fragte Alex offenbar in der Nähe der Spüle.
»Das muss sie wohl, da meine Geschmacksknospen taub sind.«
»Hm«, brummte er ganz nahe neben ihr. »Der Tag wird uns lang werden, wenn du spitze Bemerkungen über meine Kochkünste machst.«
»Das waren keine Kochkünste«, schoss sie zurück. »Das war ein verhunztes Essen, das du Wehrlosen aufgezwungen …« Sie japste, als sie plötzlich wieder hochgehoben wurde. »Lass das«, stieß sie in die Richtung hervor, wo sie sein Gesicht vermutete. »Du könntest mich gefälligst vorwarnen!«
»Wo bliebe denn dann der Spaß?«, fragte er und öffnete die Schwingtür, um sie in den Salon zu tragen. »Du sitzt jetzt einfach da und hörst dir Videos an, während ich Ordnung schaffe. Anschließend fahren wir rüber in deine Sport-Lodge.«
»Was? Warum?«
»Damit ich mich dort umsehen kann. Ich war fast ein Jahr nicht mehr dort – eigentlich habe ich nie richtig darauf geachtet, in welchem Zustand sich dieser ganze Laden dort befindet.«
»Aber auf den Wegen liegt mindestens ein halber Meter Schnee.«
»Ich werde die Zufahrt räumen. Der Weg muss für den Fall eines Brandes ohnehin offen sein.« Sarah spürte, dass er sich ganz nahe über sie beugte. »Bist du noch immer entschlossen, die Lodge zu eröffnen, auch wenn ein Kind unterwegs ist?«
»Ja«,
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