Mein verräterisches Herz: Roman (German Edition)
Du hast geschlummert wie ein Bär im Winterschlaf.«
»Ich habe die Fahrt hierher wirklich verschlafen?«, fragte sie und drehte den Kopf, als wolle sie sich umschauen. Die Tatsache, dass sie nichts sehen konnte, erbitterte sie. Nie, niemals würde sie künftig ihr Sehvermögen als etwas Selbstverständliches betrachten.
»Du hast sogar verschlafen, dass ich den Schnee von der Straße geräumt habe, und dann hast du mindestens zwei Stunden hier vor dem Feuer geschlummert.«
»Aber warum hast du mich ins Haupthaus gebracht?«, fragte sie. »Hütte eins ist geputzt und bezugsfertig.«
Sein Seufzer war mehr zu ahnen als zu hören. »Woher hätte ich das denn wissen sollen? Ich habe die letzten zwei Stunden damit verbracht, ein wenig Wärme in diesen gruftartigen Raum zu bringen.«
Sarah räkelte sich entspannt auf der Matratze. »Findest du das Zimmer nicht auch wunderschön? Ich kann mir
schon alles lebhaft vorstellen – meine Gäste finden sich hier abends ein und tauschen sich über ihre Erlebnisse aus.«
Sie spürte, wie die Matratze neben ihr eingedrückt wurde, und als Alex sprach, merkte sie, dass sein Blick nicht ihr, sondern dem Feuer galt. »Du willst die Lodge tatsächlich eröffnen?«
»Aber ja. Ich freue mich auf die Gäste aus der ganzen Welt und aus allen Lebensbereichen. Sie vermitteln mir das Gefühl, Teil eines großen Ganzen zu sein.«
»Wie sie dir früher auch die Welt auf deine entlegene kleine Insel gebracht haben?«, fragte er, und nun spürte sie, dass er sie dabei ansah. »Du hast stellvertretend durch deine Gäste gelebt.« Er veränderte seine Lage auf der Matratze. »Hast du jemals den Wunsch verspürt, in ihre Welt zu reisen? Teilzunehmen und nicht nur davon zu hören? Die Welt zu erleben, anstatt nur in Büchern von ihr zu lesen und sie im Fernsehen zu sehen?«
»Eines Tages schon. Aber im Moment gebe ich mich mit dem Wissen zufrieden, dass es diese Welt da draußen gibt und sie auf mich wartet, wenn ich bereit bin, sie mir anzusehen.«
»Und wann wird dieser Augenblick kommen, Sarah?«
Sie lachte leise. »Vermutlich wenn in der Hölle ein Meter Schnee liegt. Hast du dich hier schon ein wenig umgesehen? Sind die Hütten in sehr desolatem Zustand?«
»Ich habe dieses Zimmer nicht für länger als zwei Minuten verlassen. Ich wollte nicht, dass du allein bist, wenn du aufwachst und nicht weißt, wo du bist.«
»Danke«, flüsterte sie und tastete auf der Decke nach seinem Arm. Sie tätschelte seinen Ärmel. »Ich weiß es zu
schätzen, dass du nicht gegen die Eröffnung der Sport-Lodge bist. Und wenn du dir die Hütte eins anschaust, kannst du sehen, wie ich die Innenausstattung plane.«
»Das wäre eine Herausforderung für eine kleine Armee von Angestellten. Wie kannst du hoffen, alles allein durchzuziehen, wenn zusätzlich ein Baby deine Aufmerksamkeit beansprucht?«
»Ach, ich schaffe mir so ein Traggestell an, in dem man Babys auf dem Rücken trägt, und werde im Sommer als Hilfe ein paar Schulmädchen einstellen. Ich habe den Betrieb auf Crag Island geführt, während ich meine Eltern pflegte. Ich schaffe das schon, Alex. Es wird klappen.«
Er bedeckte ihre Hand auf seinem Arm. »Das bezweifle ich nicht«, erwiderte er. »Aber jetzt wollen wir die Salbe auf deine Augen tun. Dann werde ich mich im Obergeschoss umsehen, unser Mittagessen auftischen und mir dann die Hütten anschauen, während du wieder ein Nickerchen machst. Der Schlaf ist gut für deine Verletzungen und unser Baby.«
Sarah durchlief ein Schauer bis zu den Zehen hinunter. Unser Baby. »Okay«, sagte sie und fasste nach der Gaze über ihren Augen.
Er richtete sie zum Sitzen auf und streifte ihre Hand beiseite. »Überlass das mir«, sagte er und löste sanft den Verband.
»Alex, hat Charlotte die Kinder mitgenommen, als sie dich verlassen hat?«
Seine Hände hielten einen Moment inne, machten sich dann aber wieder sacht ans Werk. »Nein«, sagte er. »Sie hat auch die Kinder verlassen. Sie befürchtete wohl, sie würden
ihr auf der Suche nach einer dicken Brieftasche, die sie ausnehmen kann, hinderlich sein.«
»Wie alt war Delaney damals?«
»Fünf. Und Tucker war fast zwei.«
»Hättest du um die Vormundschaft gekämpft?«
Seine Hände hielten still. »Das hätte vor Gericht nichts gebracht. Ich hätte Charlotte ausbezahlen können – und das hätte ich wahrscheinlich auch getan, wenn sie nicht ums Leben gekommen wäre.« Seine Hände umfassten ihr Gesicht. »Ich würde dir niemals dein Kind
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