Mein verruchter Marquess
dann ging er das Risiko ein, ihre Liebe zu verlieren. Sollte das geschehen, würde er sterben. Oder zumindest würde er nicht mehr leben wollen.
Es war besser, wenn sie nie davon erfuhr. Doch der innere Zwiespalt drohte ihn zu zerreißen.
Max tat sein Möglichstes, um das Ganze aus seinen Gedanken zu verbannen. Jetzt war es zu spät, ihr zu sagen, was er ihr schon vor Monaten hätte erzählen sollen, doch weder damals noch jetzt stand es ihm frei, die Wahrheit zu gestehen.
Er musste einfach nur aufpassen, dass die beiden so verschiedenen Stränge seines Lebens sich nicht miteinander verwickelten, redete er sich ein, während er sich zunehmend imbehaglicher fühlte.
Aber er würde es schaffen. Seit Jahren schon führte er doch solch ein Leben, oder nicht? Er war ein geschickter Lügner, und es war ihm nie schwergefallen, sein inneres Selbst als Agent des Ordens von der äußeren Maske als stets betrunkener Grand Tourist zu trennen.
Doch zum ersten Mal in seiner Karriere begann Max, seine Pflicht zu verabscheuen. Zutiefst.
Es war nicht gerecht, so ein Leben führen zu müssen. Und schlimmer noch, tief in seinem Inneren begann er zu ahnen, dass er entweder ein guter Ehemann oder ein guter Agent sein könnte, aber nicht beides zugleich.
Dennoch konnte er sich nicht vorstellen, jemals seine Pflichten gegenüber dem Orden zu vernachlässigen. Zu tief war er darin verwurzelt. Was bedeutete, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, ehe seine Ehe, seine neue Pflicht, in ernsthafte Schwierigkeiten geriet.
Vielleicht, dachte er, hätte ich sie nicht so drängen sollen, mich zu heiraten. Vielleicht hätte ich ihr das alles hier ersparen und eine andere Frau wählen sollen, eine, die ich nicht liebe. Auf der anderen Seite konnte er sich sein Leben nicht ohne seine geliebte Daphne vorstellen. Für ihn war sie der wichtigste Mensch der Welt. Himmel, er würde über all dem noch den Verstand verlieren. Am besten dachte er gar nicht mehr darüber nach. Er musste lügen, und außerdem wollte er nicht, dass sie etwas mit den Intrigen des Ordens zu tun bekam.
Endlich gelang es ihm, die männlichen Gäste dazu zu überreden, in den Salon zu gehen, wo sie ihren Damen Gesellschaft leisten konnten. Es dauerte nicht lange, und die ganze Gesellschaft begab sich ins Musikzimmer, wo die Damen sie reihum mit ihren verschiedenen musikalischen Talenten unterhielten.
Er dachte daran, dass sein Schwiegervater ihm erzählt hatte, wie gern Daphne vor Jahren mit ihrer Mutter am Pianoforte gespielt hatte, daher trat er vor und kündigte vor allen Gästen an, dass sie jetzt spielen würde.
Eine ganze Weile lang sah sie ihn an, dann neigte sie den Kopf wie eine vorbildliche Ehefrau es tun würde. „Wie Sie wünschen, Mylord", murmelte sie, aber als sie an ihm vorbeiging, glaubte er, etwas Kühles in ihren blauen Augen aufblitzen zu sehen.
Sie öffnete den Deckel des Klavierhockers und nahm einige Notenblätter heraus, die sie über den Tasten aufstellte.
Dann nahm sie ihren Platz am Pianoforte ein, schlug zögernd ein paar Tasten an, als wollte sie die Bekanntschaft mit einem alten Freund erneuern.
Schließlich holte sie tief Luft und begann zu spielen.
Es war eine einfache, seelenvolle, ausdrucksstarke Melodie. Max erkannte ein berühmtes Stück von Albinoni.
Das Adagio erfüllte den Raum mit seiner traurigen Schönheit, baute sich langsam, aber leidenschaftlich zu einem geheimnisvollen Crescendo auf.
Max runzelte die Stirn. Welch seltsame Wahl für eine Dinnerparty, dachte er. Vielleicht war es das einzige Stück, das sie kannte. Aber nach all der Mühe, die sie auf sich genommen hatte, um eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, veränderte diese Musik zumindest die Stimmung.
Es dauerte nicht lange, bis Max erkannte, dass dies eine Art von Botschaft sein könnte. An ihn.
Während sie spielte, starrte er seine Frau an, als sähe er sie in gewisser Weise zum ersten Mal.
Nicht in tausend Jahren hätte er geahnt, welche Tiefen in ihr lauerten. Und er begann zu vermuten, dass es trotz all seiner sorgfältigen Recherchen Dinge gab, die er über sie noch nicht wusste.
Entweder hatte er endlich die richtige Frage gestellt, als er sie bat zu spielen, oder sie war nun dazu bereit, ihm diesen Teil ihrer selbst zu zeigen, aus Gründen, die er nicht kannte.
Das Adagio und die unerwartete Leidenschaft, mit der sie spielte, versetzte alle in Staunen. Nach ungefähr acht Minuten endete ihre Darbietung.
Die Gäste schwiegen für einige Sekunden,
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