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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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zu seinem Prozess geworden. Und Chodorkowskis Schicksal ist insofern nicht mehr nur mit Putin, sondern auch mit Medwedew verbunden. Angesichts des Prozessausgangs war im Grunde klar, dass Putin 2012 wieder als Präsident kandidieren würde. Und damit schließt sich der Kreis: Chodorkowski war und ist weiter abhängig von der Entscheidung einer Person, solange diese Person, in welcher Funktion auch immer, auf der politischen Bühne bleibt. Solange Putin da ist, können alle übrigen Figuren auf dieser Bühne allenfalls beratend in Erscheinung treten.
    Das Schicksal hat Chodorkowski eine überaus seltsame Rolle zugedacht, die er sich gewiss nicht erträumt hat. Vielleicht wird sein Schicksal, wie seinerzeit das des Dissidenten und Wissenschaftlers Sacharow, der einzige reale Indikator für Russlands politische Wahl sein. Gorbatschow holte Sacharow zu einer Zeit aus der Verbannung zurück, als das ganze Land gemeinsam mit dem Kultrocksänger Wiktor Zoi sang: »Wir wollen Veränderungen«. Das war in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre. Die Gesellschaft wollte Veränderungen, doch um daran glauben zu können, dass die Staatsmacht nicht nur in Verlautbarungen, sondern tatsächlich auf Veränderungen setzte, brauchte sie ein Zeichen. Damals rief Gorbatschow Sacharow an und forderte ihn auf, nach Moskau zurückzukehren.
    In Chodorkowskis neuntem Jahr in Haft begann sich ein solches Bedürfnis nach Veränderungen wieder ein klein wenig bemerkbar zu machen. Es war anfangs sehr schwach. Ganz allmählich fingen die Menschen an, auf die Straße zu gehen und die Einhaltung der Verfassung zu fordern oder konkrete Probleme ihrer Region, ihrer Stadt, ihres Kreises vorzubringen. Sie fingen an, offen über die Defizite der Epoche Putin zu sprechen. Doch selbst diese schwachen Anzeichen der Wiedergeburt einer Zivilgesellschaft trafen auf eine unangemessen harte Reaktion der russischen Staatsmacht, die ihren Horror vor »farbigen Revolutionen« kultivierte. Angst ist eines der Hauptmerkmale des russischen Regimes unter Putin. Die Staatsmacht fürchtet das eigene Volk und das Erscheinen einer starken Führungspersönlichkeit. Putin fürchtet Chodorkowski unter anderem deshalb, weil er über stark ausgeprägte Führungsqualitäten und über Charisma verfügt – Dinge, die den meisten russischen Oppositionellen fehlen.
    Die Einstellung der strafrechtlichen Verfolgung Chodorkowskis würde keineswegs nur für das persönliche Schicksal eines einzelnen Mannes etwas bedeuten. Sie wäre ein Zeichen dafür, für welches politische Modell sich der russische Staat für die nächsten sechs Jahre entscheidet: das herkömmliche Modell der Gewalt, das das Land zugrunde richtet, oder das Modell der Modernisierung und Integration, wie man heute gern sagt. Einen anderen, genaueren Indikator als das Schicksal Chodorkowskis haben dafür weder wir, die russischen Beobachter, noch unsere westlichen Kollegen.
    Strategisches Denken war nie Putins Stärke. Sein persönlicher Feind Chodorkowski, den er doch scheinbar neutralisiert hatte, indem er ihn ins Gefängnis stecken ließ, ist nun schon seit über acht Jahren eine der wichtigsten Figuren in den Schlagzeilen des Landes, ungeachtet der vollständigen Blockade durch die zentralen russischen Medien. Mehr noch: Aus einem Geschäftsmann, den 2003 nur wenige kannten, wurde in den Jahren seiner Haft eine der wichtigsten Figuren auf der politischen Bühne des Landes. Ich glaube nicht, dass Putin, als er an einem kalten Oktobermorgen des Jahres 2003 grünes Licht für die Verhaftung Chodorkowskis gab, sich die Zukunft so vorgestellt hat.
    1 Alexander S. Puschkin: Eugen Onegin. Roman in Versen. Leipzig 1965. Aus dem Russischen von Theodor Commichau und Martin Remané.
    2 Michail Chodorkowski, Schlussplädoyer vom 2. November 2010, in: Briefe aus dem Gefängnis, München 2011, S. 21–22.
    3 Posnajotsja w srawnenii: rassejanny awtoritarism, in: Wedomosti, 21. 7. 2010.
    4 Kommersant, 30. 8. 2010.
    5 Nowaja gaseta, 8. 9. 2010.
    6 Im modernen Sprachgebrauch gängige Bezeichnung für die Vertreter der russichen Geheimdienste, des Verteidigungsministeriums und der Armee, des Innenministeriums und der Miliz sowie anderer staatlicher Behörden mit ähnlich gelagerten Aufgaben. Die Silowiki gelten traditionell als Anhänger einen starken Staates und werden üblicherweise als politische Kraft gesehen, die den Verfechtern liberal-demokratischer Ideen entgegenstehen. (Anm. d. Ü.)
    7 Der »sowjet direktorow« (wörtlich

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