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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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Psychologie des Gefängniswärters kennt nur Ersteres. Wenn die Gesellschaft aber Letzteres braucht, dann müssen diese Probleme von ganz anderen Leuten gelöst werden, die mit den Gefängnisbehörden nichts zu tun haben.
    Der Föderale Strafvollzugsdienst hat seinen Auftrag zu erfüllen, selbst wenn das dem Personal das Leben schwer macht. Schließlich tut jeder von uns an seinem Arbeitsplatz das, was der Auftraggeber braucht, und nicht das, was ihm selbst leichter fällt. Auch wenn man das lieber hätte. Das ist übrigens ein weiterer Grund, warum der Föderale Strafvollzugsdienst, wenn wir wirklich etwas ändern wollen, bei den Veränderungen nicht die erste Geige spielen darf.
    Schließlich gibt es noch das Problem der Menschen, denen die Gesellschaft niemals zu vergeben bereit ist. Auch hier sind mehrere Komponenten zu berücksichtigen. Die erste und wichtigste sind die Justizirrtümer. Ihre Zahl ist gewaltig, und oft sind am Tod eines Menschen, dem zu Unrecht ein unverzeihliches Verbrechen zur Last gelegt wird, gerade diejenigen interessiert, die die Spuren ihrer eigenen Verbrechen, ihres eigennützigen Verhaltens oder ihrer sträflich schlechten Arbeit verwischen wollen. Die zweite Komponente ist die Humanisierung der Gesellschaft selbst. Die Bereitschaft, denen zu vergeben, die bereut haben und denen wir früher nicht vergeben konnten. Die dritte Komponente schließlich ist die Frage, wie wir uns gegenüber Menschen, denen wir nicht zu vergeben bereit sind, aus unserer Sicht würdig verhalten sollen. Auf all diese Fragen kann es leider nur eine allgemeine Antwort geben, da die endgültige Erkenntnis der Wahrheit dem Menschen verwehrt ist. Für mich sind die Einstellung zu Straftätern, die Unverzeihliches getan haben, der nie ganz auszuräumende Zweifel an der Schuld eines jeden von ihnen und die innere Bereitschaft, denen zu vergeben, die bereut haben, nicht nur Indikatoren für das Niveau einer Gesellschaft, sondern auch Beispiele für eine Ethik, nach der wir alle streben sollten. Genau diese Haltung und genau die Menschen, die dazu bereit sind, können uns die richtigen Antworten aufzeigen.
    Noch eine Tatsache ist in diesem Zusammenhang wichtig: Sich wieder an die Freiheit zu gewöhnen ist nach fünf Jahren in der »Zone« schwierig, nach zehn Jahren meist unmöglich. Die menschliche Psyche ist danach oft dauerhaft beschädigt. Dies zu der Frage, was wir, die Gesellschaft, vom Gefängnis erwarten.
    Anpassung an die Unfreiheit
    Bei der Abfahrt weiß ich: Die »Zone« ist nicht so schlimm. Dort leben normale Menschen, und dein Platz in dieser Welt hängt von dir selbst ab. Und zwar mehr von deinem Willen als von deiner Kraft. Angst darf man nicht haben. Sonst führt man ein nichtswürdiges, schmutziges Leben, das schlimmer ist als der Tod. Der Tod – was ist schon der Tod? Das Risiko ist nicht groß: zwei bis drei pro tausend Gefangene im Jahr. Außerdem geht es schnell und ist deshalb nicht schlimm.
    Die Vorzüge der »Zone«: die Sonne und die Besuche. Ein Besuch in der »Zone«, das sind drei Tage, einmal pro Quartal, in einem Raum von der Art eines kleinen Provinzhotels. Die eigene Mutter, die eigene Frau, die Tochter, und alle kann man berühren, umarmen. Die Zeit fliegt vorbei, drei Tage sind wie ein Augenblick.
    Generell besteht kein Zweifel, dass die Haft die Familien zerstört. Regelmäßig Besuch erhält einer von zwanzig Häftlingen. Die Frauen verlassen ihre Männer, die Kinder vergessen ihre Väter. In der Regel verliert ein Mensch innerhalb von fünf Jahren seine sozialen Wurzeln. Hinter dem Tor erwartet ihn eine Wüste, deshalb kommen auch so viele zurück. Von wem und wozu genauso ein System geschaffen wurde und aufrechterhalten wird, ist mir unbegreiflich. Vielleicht ist es nicht böser Wille, sondern Tradition. Aber die Folgen dieser Tradition sind grauenvoll. Eine ganze Schicht weggeworfener Menschen. Millionen zerstörter Familien und Schicksale. Dabei gibt es durchaus Alternativen, und sie sind allseits bekannt; die Beschränkung der Kontakte zu den Familien ist offensichtlich überflüssig. Trotzdem bleibt bislang alles, wie es ist.
    Andererseits ist gerade das Problem mit dem anderen Geschlecht zwar vorhanden, aber nur als eines von vielen. Für die Gefangenen zwischen 20 und 35 Jahren fällt es am meisten ins Gewicht. Diejenigen, die noch jünger sind, kommen für gewöhnlich aus einer Kolonie für Minderjährige und haben keine Erfahrung mit einem regelmäßigen Sexualleben. Die,

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