Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
Chodorkowski den Mittelpunkt der gesamten Arbeit in die Bank verlagert. Von denen, die bleiben und den Weg mit Chodorkowski bis zum Ende weitergehen sollten, gehörten damals zum Team: Newslin, Brudno und Dubow. Es ist offensichtlich, dass einer der wesentlichen Faktoren, die diese wahrlich sehr unterschiedlichen Personen einten, die Einstellung zum Geld war. Zum Geld im Geschäftsleben. Zum Geld, das man zum Leben braucht. Viele Jahre später, im Juni 2002, erwähnte ich während eines Interviews mit Chodorkowski für den Kommersant einen sehr vermögenden Freund von mir, der sagte, dass ihm Geld nichts mehr bedeute. Chodorkowski sagte: »Leonid Newslin und ich, wir haben irgendwann einmal festgelegt: Wir haben unser persönliches Geld, mit dem wir vollkommen zufrieden sind. So gesehen, spielt es wirklich keine Rolle. Und es gibt Geld zum Spielen, als Instrument. Dieses Instrument ist wie die Patronen für die Soldaten – man hat nie genug.« Das sagte Chodorkowski, als er schon Milliardär war. Damals jedoch, zu Beginn der neunziger Jahre, verdienten sie ihr erstes, für die damalige Zeit großes Geld. Diese eigentlich noch so jungen sowjetischen Kerle waren auf einmal reich. Oder wenigstens kam es ihnen so vor, als wären sie reich.
Newslin erzählte mir, er habe sich just in jenen Jahren, 1989 bis 1990, zum ersten Mal reich gefühlt. Als er seinen Führerschein in Händen hielt und damit nach Jushny Port fahren konnte, wo mit Autos gehandelt wurde, um etwas zu tun, wovon sein Vater nur hatte träumen können, nämlich praktisch jedes beliebige Auto zu kaufen, sogar einen Wolga. Dann kam die Zeit, als er sein erstes ausländisches Auto fuhr, einen Volvo. Dann kaufte er seine erste Wohnung. Viele Juden, die damals emigrierten, verkauften ihre Wohnungen sehr preiswert, weil es ihnen doch lieber war, wenigstens einige tausend Dollar in bar mitzunehmen als nichts. Wenn sie gewusst hätten, wie viel die Wohnung auf dem Leninski-Prospekt, die Newslin damals kaufte, wenige Jahre später wert sein sollte!
Wladimir Dubow bezahlte 1991 für seine erste Eigentumswohnung 5000 Dollar. Dafür nahm er bei Menatep einen Kredit auf, den man ihm, wie er zugibt, einige Jahre später erließ, als dieses Geld für die Gruppe schon nicht mehr von Belang war. Zu dem Zeitpunkt, als er die Wohnung kaufte, hatte er bei Menatep ein Gehalt von 500 Dollar – seine Abteilung nahm zur selben Zeit über 200 Millionen Rubel ein. Der offizielle Dollarkurs 1991 lag bei 1,80 Rubel für einen Dollar, der inoffizielle zwischen zehn und 30 Rubel. Während seiner Suche wurde ihm eine Dreizimmerwohnung auf dem Prospekt Mira für 40000 Rubel angeboten. Er erzählte Chodorkowski davon. Und Chodorkowski sagte, er werde diese Wohnung kaufen, weil er seiner ersten Frau versprochen hätte, ihr eine Wohnung just auf dem Prospekt Mira zu kaufen, erinnert sich Dubow. Viele Jahre später erzählte mir Chodorkowski in einem Interview: »Für mein erstes selbst verdientes großes Geld kaufte ich eine Dreizimmerwohnung, in der ich mich nie wieder blicken ließ. Da zog meine Ex-Frau ein.«
Chodorkowski und Inna sowie Newslin und seine Familie mieteten schließlich gemeinsam eine Holzdatscha in der Siedlung des Ministerrats auf der Uspenskoje-Chaussee und zogen dorthin.
Inna
Der Legende nach soll Michail Inna anfangs gar nicht wahrgenommen haben, aber dann habe sie sich die Haare blond gefärbt, und sein Schicksal sei besiegelt gewesen – er habe sich bis über beide Ohren in sie verliebt. Marina Chodorkowskaja erinnert sich, sie habe zufällig davon erfahren, dass im Komsomolausschuss am Institut ein Mädchen aufgetaucht war, das ihrem Sohn verliebte Augen machte. Dieses Mädchen war 17 Jahre alt, als die beiden sich kennenlernten.
Inna Chodorkowskaja: »Ich war in die Chemie verliebt. An der regulären Fakultät war ich nicht aufgenommen worden – ich hatte den Aufsatz verhauen. Also immatrikulierte ich mich gleich fürs Abendstudium. Bis dahin hatte ich mir über eine Arbeit noch keine Gedanken gemacht. Ich beschloss, mir in meiner Fachrichtung (organische Chemie) im Labor etwas zu suchen. Im Labor sagte man mir, ich bräuchte einen Komsomolauftrag 55 , eine Genehmigung. Ich ging also diese Genehmigung holen. An die massive lackierte Holztür des Komsomolausschusses erinnere ich mich heute noch. So eine Gullivertür, und ich bin ein Hobbit, der versucht, sich durch einen Märchenwald zum Ziel durchzuschlagen. Hinter der Tür verbarg sich aber nichts
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