Mein Weg mit Buddha
in der Bodhisattvawelt zu erleben, als sie nach einer schwierigen Entbindung der Mutter das Kind in die Arme legt. In dieser Szene entschied ich mich dafür, ein trauriges Lächeln zu zeigen, da meine Figur laut Drehbuch selbst keine Kinder bekommen konnte. Durch diese Darstellung landet sie schnurstracks wieder in der Welt der Hölle. Ich könnte das jetzt ewig weiterführen, aber ich denke, Sie haben verstanden, was ich meine …
In der Rosamunde-Pilcher-Verfilmung Zerrissene Herzen spielte ich die Frau des Gutsbesitzers, die einem ihrer Angestellten leidenschaftlich verfallen ist und sich damit in den niederen Welten von Animalität und Ärger befindet. Sie leidet, weil dieser Mann sie nicht erhört. Bis zuletzt hegt sie jedoch Hoffnungen und es gibt eine Szene, in der sie sich kurz in der vorübergehenden Freude befindet, da der Geliebte ihrem Werben nachzugeben scheint. Bis zu dem Moment, an dem eine andere Frau auftaucht. Eine Konkurrentin. Das bringt meine Figur sofort in die Welt der Hölle und sie schmiedet – aus diesem Lebenszustand heraus – Rachepläne. Als ihre Konkurrentin jedoch einen schweren Unfall hat, zeigt sich, dass meine Figur, die Frau des Gutsbesitzers, doch nicht einfach nur »die Böse« ist. Indem sie sich liebevoll um die Verunglückte kümmert, zeigt sie Mitgefühl, also die Welt des Bodhisattva. Als ihr Ehemann stirbt, manifestiert sich ohne Zweifel die Welt der Hölle, deren positiver Aspekt jedoch, Leid als Antriebskraft zu nutzen, meine Figur dazu bringt, das Lebenswerk ihres Gatten, ein Heim für Kinder, fortzuführen. Sie hat also begriffen, wo ihr wahrer Platz im Leben ist. Hier zeigen sich die Welten des Lernens und der Teilerleuchtung.
Selbst bei Märchen, die in der Regel reine »Schwarz-Weiß-Malerei« sind, macht eine auf den Zehn Welten basierende Darstellungsweise die Rollen viel spannender. Das setzte ich in der Figur der Hexe in Dornröschen um, einer Folge der leicht satirischen ProSieben Märchenstunde . Die Hexe ist böse, klar. Ihre Welt ist die Animalität, in der sie nur daran interessiert ist, so mächtig wie möglich zu sein. Dann wiederum greift die Welt des Hungers: Wir sehen, sie ist gierig nach Schönheit und Jugend. Da sie sich für die Allerschönste hält, befindet sie sich mitten in der Welt des Ärgers und bald darauf in der vorübergehenden Freude, weil Dornröschen sich gestochen hat. Und da unsere Hexe davon ausgehen wird, dass die »Konkurrentin« erst einmal 100 Jahre schlafen wird, befindet sie sich in der Welt der Ruhe. Doch nicht lange – denn der blöde Prinz war nicht eingeplant. Und Ursache und Wirkung folgend, stolpert die Hexe über die »Drei Gifte« (Ärger, Dummheit, Arroganz) und landet somit wieder in der Welt der Hölle, wo sie entsetzlich leidet, weil der Zauber gebrochen ist und sie in Windeseile altern wird.
Ich versuche also, nicht nur als Mensch in meinem Leben Werte zu schaffen, sondern auch als Schauspielerin, indem ich mich ernsthaft um die Figuren bemühe, die ich zum Leben erwecke. Und ich glaube, dass mein Publikum das spürt und annimmt. »Mei, san Sie bös!«, sagte eine Verkäuferin auf dem Elisabethmarkt in München nach der Ausstrahlung von Klinik unter Palmen mit einem breiten Grinsen zu mir. Sie hatte es verstanden. Auch Dr. Kaltenbach war ein Mensch und kein Monster. Und die Marktfrau sah mich als Schauspielerin hinter dieser Rolle, die für ihre Arbeit mit einem Kompliment bedacht und nicht wie üblich mit der Rolle verwechselt wurde.
Jahre später spielte ich zusammen mit dem wunderbaren Kollegen Wolf-Dietrich Berg in Düsseldorf in Éric-Emmanuel Schmitts Meisterwerk Der Freigeist . Das brillante Konversationsstück über einen Tag im Leben des Philosophen Diderot steckt voller menschlicher Abgründe und Emotionen, vor allem in Bezug auf die Rolle, die ich spielte. Eines schönen Probentages, als ich mich wieder einmal durch ein Wechselbad von Gefühlen und Lebenszuständen navigierte, stieg mein Kollege plötzlich aus der Szene aus, sah mich unverwandt und fast ein wenig irritiert an und fragte: »Sag mal, wie schaffst du das, so schnell von einem Gefühl ins andere umzusteigen? Wie kannst du diesen Zustand, diese Situation so schnell erfassen und umsetzen?«, um dann scherzhaft hinzuzufügen: »Ich brauche dafür mindestens eine Woche Proben.«
»Da wir aber die Premiere nicht verschieben können«, entgegnete ich frech, »wähle ich den schnelleren Weg und mache das mit meinem Buddhismus!« Ich erzählte
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