Mein Weg mit Buddha
jauchzend bis zu Tode betrübt, von emotional und sexy bis zu kaputt, labil und trotzdem stark. Dove Comincia il Sole – Verwirrung des Herzens bedeutete sechs Monate Dreharbeiten in der Traumstadt Rom! Es war der Himmel auf Erden.
Die knapp bemessene drehfreie Zeit versuchte ich »gewinnbringend« für meine Persönlichkeit zu nutzen. Ich chantete vor allem dafür, vor Ort, in Italien, Unterstützung zu bekommen, denn mir war bewusst geworden, dass es mitunter schwierig – und, ehrlich gesagt, grottenlangweilig – ist, nur so für sich allein zu praktizieren. Außerdem wollte ich endlich einmal wieder einen Gohonson sehen … Eines Tages passierte tatsächlich ein ähnlich »verzauberter Zufall« wie damals in Südafrika (der natürlich keiner war, wie wir wissen, sondern lediglich die Antwort, also »Wirkung«, auf meinen ausdrücklichen Wunsch als »Ursache«). Es ergab es sich, dass eine Szene in dem Hotel gedreht werden sollte, in dem ich wohnte. Die Produktionsleitung bat mich, mein Zimmer zu meiner Garderobe umfunktionieren zu dürfen, da es an der Piazza del Popolo keinen Platz für meinen Wohnwagen gab.
Meine Garderobiere kam also morgens mit meinem Film-Outfit in mein Zimmer und bemerkte auf der Kommode im Schlafzimmer meine kleine »Installation« mit Wiedererkennungswert: eine Klangschale, zwei Kranichfiguren, die Meister und Schüler darstellen, Kerzen, das Gongyo-Buch und eine weiße Gebetskette, die ich von meinem Liebsten zur Hochzeit geschenkt bekommen hatte. Meine entzückende neapolitanische Garderobiere strahlte mich an: »Non ci credo! Anche tu pratichi? Che bello! Allora possiamo senz’altro farlo insieme ora!« (Das glaube ich jetzt nicht! Du praktizierst auch? Wie schön! Dann können wir das ja gemeinsam machen!)
Mein Wunsch, jemanden zu finden, mit dem ich gemeinsam chanten konnte, war also in Erfüllung gegangen. Wir hatten uns gefunden. Und nicht nur das. Am darauffolgenden Sonntag nahm mich meine Garderobiere mit zu einem »Event« der Sonderklasse. Die buddhistische Organisation von Italien feierte in ihrem Kulturzentrum ihr 20-jähriges Jubiläum. Der »Versammlungsraum« in einer ehemaligen Reithalle im Norden Roms bot über 1000 Menschen Platz. Und so viele waren an jenem Sonntag auch dort.
Bei dieser Feier erlebte ich zum ersten Mal die ungeheure Kraft, die so ein gemeinsames Chanten freisetzen kann. Der Raum bebte förmlich. Die vielen verschiedenen Stimmen formierten sich zu einem Glockenklang, kraftvoll, feierlich, alles durchdringend. Und mein Körper und mein Geist bebten mit. Die Freude, die positive Kraft, die den ganzen Raum erfüllte, ist schwer zu beschreiben.
Natürlich weiß ich um die magische Kraft eines kollektiven Gebets oder eines Sprechchores. Im altgriechischen Theater wurde viel damit gearbeitet. Der Chor hat die Aufgabe, die Situation, in der sich die Hauptakteure befinden, zu kommentieren, aber auch, sie mittels der Gewalt seiner Vielstimmigkeit dem Zuschauer emotional näherzubringen, ihn mit der Kraft der Musik der Worte in die Geschichte hineinzuziehen. Das ist ein sehr wirksames Element des Theaters. Die Oper setzt da noch eins drauf. Musik ist eben noch klanggewaltiger …
Ich praktizierte zu jener Zeit seit eineinhalb Jahren, nicht akribisch, aber von Herzen, so wie ein Kind mit seiner Lieblingspuppe spielt. Ja, ich weiß genau, dass das jetzt ziemlich seltsam klingt, aber rückblickend kann ich es nicht anders beschreiben. Es mangelte mir definitiv an Determination und an Klarheit in meinen Gedanken. Ich war sehr naiv! Ich zog das schicke Fallschirmspringer-Outfit mit dem seidenen Rucksack an, warum, wusste ich damals nicht genau, es war mir auch egal. Und ich traf die richtige Entscheidung, denn eines Tages sollte ich diesen Rettungsschirm brauchen, und zwar dringend …
Doch trotz meiner unreflektierten Ausübung und unklaren Haltung begann sich unterbewusst, irgendwo im Verborgenen, ganz tief in mir, etwas zu verändern. Ich hatte begonnen, mein Potenzial als Mensch und auch als Schauspielerin zu entfalten. Eine neue, liebevolle Nähe zu den Menschen in meiner Umgebung machte sich in mir breit – und die brachte ich unbewusst in meine Rolle ein. Wenn ich mir diese Arbeit heute ansehe, stelle ich fest, dass sich mein Spiel komplett verändert hat: Es kommt aus einer kraftvollen Ruhe, ist viel direkter und unprätentiöser. Das Zusammenspiel mit den anderen Figuren lässt schon eine Art Mit-Gefühl erkennen. »Tut ihr gut, dieses Arbeiten im
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