Mein Weg mit Buddha
ich, dass diese paar Monate eine karmische Lehrstunde par excellence waren. Mir wurden meine eigenen alten Muster vorgeführt, doch ich war bereits stark genug, um mich nicht wieder zurückziehen zu lassen. Ich lernte, dass Loyalität und Respekt auf der einen, sowie Opportunismus auf der anderen Seite megawichtige Lebensthemen sind – für jeden von uns! Innerhalb des Ensembles gab es andauernd das Bestreben, den einen oder anderen für sich zu gewinnen und auf seine Seite zu ziehen. Einschmeicheln und hinterrücks treten. Ich bin ein Gerechtigkeitsfanatiker und fand diese Situation zum Kotzen. Mein Mitgefühl war allerdings noch nicht so weit entwickelt, dass ich diese Aufgabe bewältigen konnte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als alle, die nicht mittun wollten, (im übertragenen Sinne) von der Bühne zu fegen. Schließlich ging es um die Show und Professionalität hat, wie bereits erwähnt, bei mir oberste Priorität.
F. gehörte zu dieser Gruppe von oberflächlichen Tatsachen aus meiner Vergangenheit, die sich – im Zuge meiner kleinen persönlichen Revolution und Entwicklung als Mensch – ganz von allein entsorgten.
Der »Müll« stellte sich selbst vor die Tür, in Form von Menschen, mit denen ich nie auf wertvolle Art und Weise Zeit verbracht hatte, in Form von überflüssigen, fluguntauglichen Luxuskoffern, die mir geklaut wurden, und in Form von oberflächlichen Rollen, die mir nicht mehr angeboten wurden (nur ernähren sie einen auch dummerweise).
Ich hatte weniger Engagements, aber das, was ich machte, zeigte eine neue Anja Kruse: wahrhaftiger, besser, interessanter. Und was auch immer ich anfasste, wurde etwas Besonderes, denn ich hatte etwas für mich Sensationelles entdeckt: Wenn allen Dingen des Lebens die Zehn Welten innewohnen, dann auch den Figuren aus Papier, die ich mit meinem Spiel zum Leben erwecke. Mir eröffneten sich neue, ungeahnte Dimensionen in meiner Kreativität! Jedes Wort, jeder Charakterzug meiner Figuren wurde plötzlich wahr, weil ich ihnen mit meiner Erkenntnis die unendliche Vielschichtigkeit eines richtigen Menschen geben konnte. Ich begann systematisch, meine eigenen Lebenszustände auf den Seziertisch zu legen, hineinzuspüren, »wie sich das anfühlt«, was mich in den einen oder anderen Zustand bringt oder wie die Wechsel zwischen den Lebenszuständen vonstattengehen. Für das Abrufen von Emotionen, um sie in mein Spiel einzubringen, finde ich es sehr hilfreich zu wissen, aus welchen Welten sie kommen. An dieser Stelle ein kleiner Einschub für Kollegen, falls ein paar davon tatsächlich dieses Buch lesen: Natürlich weiß ich, was Method Acting und die Stanislawski-Schule sind. Das habe ich alles längst verinnerlicht. Und ihr werdet sagen: »Was soll das alles? Das ist doch nichts Neues, sich tief in eine Situation hineinzufühlen, um dies bei Bedarf abzurufen.« Doch, das ist etwas anderes, behaupte ich: Mit der Klarheit über diese gut voneinander abgrenzbaren Lebenszustände geht es präziser, schneller und leichter!
Sie, liebe Leser, interessieren solche Interna vermutlich nicht. Für Sie zählt bei einem Film oder im Theater, denke ich, lediglich eins: dass Sie die Figur, die man spielt, für einen »richtigen Menschen halten« – und, im allerbesten Fall, einfach vergessen, dass Sie sich im Kino, im Theater oder vor einem Fernseher befinden. Die Kenntnis der Zehn Welten ermöglicht es nun, selbst die abgrundtief schwärzesten Figuren als wahre Menschen zu zeigen, die Sie als Zuschauer vielleicht moralisch verurteilen, aber trotz allem verstehen. Denn auch schlechte Charaktere haben ihr Buddhapotenzial.
Hierzu einige Beispiele aus dem »Mainstream«-TV, die Sie vielleicht gesehen haben:
In der Fernsehserie Klinik unter Palmen spielte ich in drei in der Dominikanischen Republik gedrehten Folgen die Rolle der Dr. Kaltenbach. Die Ärztin ist ein herzloses Biest, egozentrisch, verrucht und sexsüchtig. Diese recht oberflächlichen Attribute bilden fast eine Vorgabe, wie die Rolle zu spielen ist. Diese Frau ist einerseits in den Zustand der Hölle abgerutscht, geht andererseits wiederum instinktgesteuert in der Welt der Animalität auf und gibt sich der vorübergehenden Freude eines sexuellen Abenteuers hin. Ihr Verhalten der jungen Kollegin gegenüber, die ihr den Lover ausspannen will, wird durch die Welt des Ärgers und der Arroganz bestimmt, die unerfüllte Sehnsucht nach diesem Mann hält sie in der Welt des Hungers fest. Einen Moment lang ist die Figur
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