Mein Weg mit Buddha
Schubkarre vor sich her. Er winkt der Frau zu, einladend. Sie lässt sich fallen und weiß sich in Sicherheit.
Das, liebe Leser, ist keine Filmszene, weder eine, die ich selbst gedreht habe, noch eine, die ich im Fernsehen oder Kino gesehen habe. Die Geschichte stammt auch nicht aus einem historischen Roman. Und falls doch, habe ich dieses Buch niemals gelesen! Es ist vielleicht so etwas wie ein Traum – einer, den man über viele Jahre hinweg in exakt der gleichen Form immer wieder träumt und der immer an der gleichen Stelle endet. Es ist mein Traum und, wie ich eingangs erwähnte, meine ganz persönliche Erinnerung an ein anderes Leben.
Ich habe diese Geschichte nie wirklich ernst genommen, bis zu jenem Samstagnachmittag, an dem mein Mann und ich einen Ausflug in die Umgebung von Paris unternahmen. Wir stiegen aus der RER, der »Vorortbahn«, gingen im Bahnhof die Treppe nach oben, wendeten uns nach links – und ich dachte, mich trifft der Schlag. Ich sehe ein Schloss, das mir merkwürdig bekannt vorkommt. Wir erreichen den Schlosshof. In der Mitte befindet sich das Hauptportal, links davon eine kleinere Tür. Mein Blick wandert nach oben – ein kleines Türmchen … Das Schloss ist Touristen zur Besichtigung zugänglich, also zögere ich nicht lange. Mein Mann ist etwas irritiert, weil ich so zielstrebig losgehe. »Ich war schon einmal hier«, sage ich atemlos. Er versteht sofort, was ich meine, und folgt mir schweigend. Ich glaube, das Ganze ist ihm ein bisschen unheimlich. Hinter der Tür des Nebeneingangs führt eine steile Wendeltreppe nach oben. Die Stufen sind ausgetreten und ziemlich glatt. Am Ende der Treppe befindet sich eine schlichte, aus drei Längsbalken gefertigte Holztür, solide Eiche. Die Tür ist angelehnt. Wir gehen hindurch und betreten das Turmzimmer. Es gibt zwei Fenster, eines mit einem kleinen Austritt und einer schmalen Treppe, die in den seitlichen Schlosshof hinabführt. Der Mann an meiner Seite spürt meine Nervosität und schlägt vor, diesen Ort zu verlassen. »Weißt du, eigentlich wollte ich mit dir hierherkommen, weil hinter dem Schloss eine wirklich schöne Gartenanlage liegt.« Es reißt mich herum. »Wie bitte???« Hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt noch geglaubt, meine Fantasie spiele mir einen Streich, so war nun endgültig Schluss damit. »Wie kommen wir dorthin?«
»Ich denke, wir müssen wieder zurück auf die Straße, denn den Graben können wir ja wohl schlecht durchqueren.«
Die Straße führt schnurgerade an der linken Seite des Schlosses entlang. Rechter Hand befindet sich der einige Meter tiefer gelegene ziemlich breite Schlossgraben, eine große grüne Wiese, an deren Ende eine Mauer aus roten Backsteinen steht – ein nicht gerade »typisches« Mauerwerk für diese Gegend. Langsam wird mir richtig heiß. Zu Fuß die Straße entlang dauert der Weg natürlich um einiges länger als auf einem Pferd, noch dazu im gestreckten Galopp. Ich nutze diese Zeit, um meinen Mann aufzuklären, was da gerade passiert ist. Er sieht mich fasziniert an. »Je t’envie. Vraiment. – Ich beneide dich darum, dass du ein bisschen mehr von der Ewigkeit des Lebens weißt!«
»Ich bin mir nicht so sicher, ob ich das gut finde«, antworte ich, »es ist auch eine Belastung. Das ist sicher auch der Grund, warum wir uns nicht erinnern. Das wäre doch schrecklich. Stell dir das doch einmal vor!«
Inzwischen haben wir die Mauer erreicht. Und tatsächlich: Vor uns erstreckt sich eine wunderschöne Gartenanlage mit Gemüsebeeten im Vordergrund, dahinter befinden sich Obstspaliere, an den Seiten Buchsbäume. In der Mitte steht ein Gärtnerhäuschen, so, als wäre die Zeit stehen geblieben …
»Eines verstehe ich nur nicht«, sage ich nach einer Weile. »Warum hört dieser Traum oder diese Erinnerung, wenn du so willst, immer an der gleichen Stelle auf? Außerdem ist mir aufgefallen, dass – cineastisch gesprochen – ein gewaltiger ›Licht-Anschlussfehler‹ darin vorkommt: Die eine Szene spielt kurz vor Sonnenuntergang und dann ist es plötzlich heller Mittag. Da stimmt doch der »Anschluss« nicht!«
»Eh bien«, meint die Liebe meines Lebens, »du weißt nicht, was das Licht bedeutet? Denk doch einmal nach. Das Licht sehen … das war dein Tod. Du hast deinen eigenen Tod erlebt. In dem Moment, in dem du oben auf der Mauer warst, hat der Kerl dich umgebracht. Evidemment …«
Ich schnappe nach Luft und bin erst einmal sprachlos. Irgendwie will ich das alles gar nicht so genau
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