Mein wildes Herz
zu Krista und bemerkte, dass sie erstaunt die blonden Brauen hob. „Leif Drachenherz?“, wiederholte sie.
Er zuckte die Achseln. „So nennt mich mein Volk.“
„Es gibt etliche Namen, dir ich dir geben möchte“, meinte sie auf Englisch zu ihm, „doch für den Augenblick will ich mich zurückhalten.“
Leif musste lächeln. „Es ist besser, wenn du so oft wie möglich Altnordisch sprichst. So wird es leichter werden. Wir sprechen Englisch, wenn wir allein sind. Ich möchte die Sprache nicht vergessen, die ich mit so viel Mühe gelernt habe.“ Da sie ihm nicht widersprach, ergriff er ihre Hand und geleitete sie zu der Straße, die zu seinem Gehöft führte.
Als er durch die Menge ging, kam eine Gruppe Frauen auf ihn zu. In der einen erkannte er Elin, die Frau eines entfernten Cousins. „Du bist zurück, Leif“, sagte sie. „Doch was ist mit den anderen? Wo ist mein Sohn Bodil?“
„Es tut mir leid, Elin. Das Boot war nicht gut genug, um die Reise zu überdauern. Der Fremde, der es uns segeln half, dein Sohn Bodil und die anderen, keiner von ihnen überlebte.“
„Aber du lebst.“
Leifs Gesicht versteinerte bei der schrecklichen Erinnerung an den Sturm, die sterbenden Männer und die eisige, tückische See. „Es war der Wille der Götter.“
Die Frau begann, heftig über den Verlust ihres Sohnes zu jammern, und einige der anderen Frauen stimmten mit ein.
Gemeinsam mit Krista und Runa ging Leif weiter. „Krista wird Kleider brauchen“, sagte er zu seiner Schwester, „etwas, das zu der zukünftigen Frau eines Chiefs passt. Ich überlasse das dir.“
Runa sah nicht gerade erfreut aus, doch sie nickte. Mit ihren grauen Augen betrachtete sie die fremde Kleidung, die er und Krista trugen. „Ich werde Olav von deiner Rückkehr unterrichten und dafür sorgen, dass eure Unterkunft vorbereitet wird.“ Sie warf Krista einen finsteren Blick zu. „Wo wird die Frau schlafen?“
„Bereite im Langhaus einen Raum nahe dem meinen vor“, sagte er. „Bis wir verheiratet sind, kann sie dort wohnen.“
Runa eilte vor ihnen den Hügel hinauf, und Krista beugte sich zu ihm hinüber. „Wikinger zwingen ihre Frauen nicht, gegen ihren Willen zu heiraten – ist das nicht so?“
„Üblicherweise ja.“
„Nun, ich werde in diese Heirat nicht einwilligen.“
Leif seufzte. „Du wirst mich heiraten. So oder so.“
„Werde ich nicht“, erwiderte sie eigensinnig.
Und zum ersten Mal, seitdem er beschlossen hatte, sie hierher zu bringen, machte Leif sich Sorgen.
Krista kletterte den steilen Hang zur Wikingersiedlung hinauf, während Leif ungewöhnlich schweigsam neben ihr her ging. Vielleicht dachte er über ihre Weigerung, ihn zu heiraten, nach. Aber wohl eher dachte er an seinen Vater.
„Ich weiß nicht, ob ich es richtig verstanden habe“, sagte sie zu ihm. „Dein Vater ist tot?“
Er nickte. „Vor einem Monat starb er an einem Fieber. Ich hätte hier sein sollen.“
Sie nahm seinen Arm. „Du musstest gehen, Leif. Du hast mir doch gesagt, wie wichtig es für dich war zu sehen, was jenseits der Insel liegt.“
„Ich weiß.“
„Es tut mir leid. Es tut mir sehr leid.“
Er drehte sich zu ihr und legte zärtlich die Hand auf ihre Wange. „Immer sorgst du dich um andere. Obwohl du immer noch wütend bist, bekümmert dich mein Schmerz.“
Mit klopfendem Herzen wandte Krista sich ab.
Sie stiegen weiter den Hügel hinauf. Der Wind wurde stärker, und Krista zitterte unter den Böen, die an ihren Hosenbeinen zerrten. Sie zog den Mantel enger um sich. Als sie den Gipfel erreichten, blieb sie stehen. Zwischen der bergigen Küste und den anderen Bergen in der Ferne erstreckte sich ein üppig grünes Tal vor ihr. Der eisige Wind ließ allmählich nach, und die Sonne wärmte ihr Gesicht. Anscheinend konnte man ihr die Überraschung am Gesicht ablesen, denn Leif lächelte.
„Du dachtest wohl, es würde überall so ausschauen wie an der Küste.“
„Ja, das habe ich angenommen.“ Stattdessen lag eine grasbewachsene, sanft hügelige Ebene vor ihr, durchzogen von Wassergräben und Dämmen. Kuhherden streiften über das Grasland und große, erst kürzlich abgeerntete Felder erstreckten sich weiter, als Krista sehen konnte.
„Gefällt es dir?“
Krista seufzte. „Es ist egal, wie es aussieht, Leif. Draugr ist nicht meine Heimat und wird es niemals sein.“
„Mit der Zeit wirst du das anders sehen.“
Sie verkniff sich die Antwort. Es war eine schöne Insel für einen Besuch, aber sie, Krista,
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