Mein wildes rotes Herz
Ställe, in denen Tiere gehalten wurden. Am liebsten hätte sie Wolf nach allem befragt, was sie sah, aber er sah stur geradeaus und ging sehr schnell. Caroline brauchte ihren ganzen Atem, um mit ihm Schritt halten zu können. Fast war es, als würden sie sich heimlich davonstehlen.
Dann hatten sie die Lichtung hinter sich und betraten den Pfad, der in den Wald führte. Seine Hand griff nach ihrer, und sie klammerte sich daran fest. Wenn sie sich auf die Wärme seiner Finger konzentrierte, schien der Wald weniger bedrohlich, das Schreien wilder Tiere weniger nah.
Caroline konnte nicht sagen, wie lange sie gegangen waren, bis allmählich die Sonne ihre Strahlen durch das dichte Piniendach des Waldes schickte. Sie merkte, dass sie sich ausruhen musste. Wolf schien das gespürt zu haben, denn er setzte sich unter einen Baum, lehnte sich an den Stamm und zog sie mit sich.
Während Wolf kein bisschen außer Atem zu sein schien, brauchte Caroline eine ganze Weile, bis sie sich wieder so weit erholt hatte, dass sie sprechen konnte. Sie sah ihn an.
»Ich verstehe das nicht.« Obwohl sie alleine waren, flüsterte Caroline unwillkürlich. »Was ist passiert?«
Wolf zuckte die Achseln. Es gefiel ihm auch nicht, dass er sie weggeholt hatte, als würden sie davonlaufen, aber er war sich mit Astugataga einig gewesen, dass es so am besten war. Vor allem, nachdem er jetzt von Tal-tsuskas Besuch bei Caroline gehört hatte. Ihnen beiden war gesagt worden, dass sie sich von der weißen Gefangenen fern halten sollten. Wolf hatte sich Sorgen gemacht, dass das Caroline beunruhigen könnte, trotzdem hatte er gehorcht. Tal-tsuska nicht.
»Der Häuptling hat mich heute früh zu sich rufen lassen«, begann Wolf endlich. »Ich weiß nicht, ob er meinen Anspruch auf dich für größer hielt, aber er hat gesagt, dass ich dich nehmen soll.«
Caroline schloss die Augen und seufzte tief auf. »Aber warum haben wir uns so davongestohlen? Wenn der Häuptling dir seine Erlaubnis gegeben hat...«
»Er hatte Tal-tsuska noch nichts von seiner Entscheidung gesagt und dachte, es sei besser, wenn wir schon fort sind, ehe er es tut.«
»Er wird wütend sein.«
Wolf wusste nicht, ob sie das als Frage oder als Feststellung gemeint hatte, aber er nickte. »Ja, sehr wütend.«
Caroline schluckte. »Was, glaubst du, wird er machen?«
»Ich hoffe, nichts.«
Einige Minuten lang saßen sie schweigend da. Wolf krampfte seine Hand um den Lauf des Gewehres, saß ansonsten aber ruhig und entspannt da. Sie nutzte die Gelegenheit, um ihn zu betrachten.
Er trug ein Leinenhemd zu rehledernen Reithosen, und die Tätowierungen der Cherokesenkrieger waren nur an den Handgelenken zu sehen. Sein Kinn war dunkel vor Bartstoppeln, das schwarze Haar in einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Er war ein Paradoxon, eine seltsame Mischung aus den Indianern, die sie gerade verlassen hatten, und den Engländern, zu denen sie jetzt zurückkehrte. Wenn sie das Nebeneinander dieser zwei Kulturen schon verwirrend fand, wie schwer musste die Situation dann erst für ihn sein?
»Warum haben sie mich gehen lassen?«
Er sah sich um und blickte sie dann an. »Ich habe es dir doch gesagt.«
»Nein.« Caroline schüttelte den Kopf, und ihre Locken fielen ihr bis über die Brüste. »Du hast nur gesagt, dass sie entschieden haben, dass du mich haben darfst. Du hast aber auch gesagt, dass dein Anspruch nicht größer war. So muss Tal-tsuska es auch empfunden haben, als er gestern zu mir kam.«
»Das durfte er nicht. Es war uns beiden untersagt worden.« Er runzelte die Stirn. »Hat er dich verletzt?«
»Nein. Nur geängstigt.«
»Das tut mir Leid.«
»Aber du hast mich ja gewarnt, nicht wahr?« Caroline vergrub ihr Gesicht in den Händen und sah ihn dann wieder an. Er ließ die Hand fallen, die er gerade nach ihr ausgestreckt hatte. »Bitte, sag mir, warum man mich freigelassen hat.«
»Astugataga hat Angst vor den Engländern«, erwiderte Wolf einfach.
»Und Tal-tsuska nicht?«
»Nicht so sehr, wie er sie hasst.«
»Und Robert«, ergänzte Caroline leise. »Er hat Robert gehasst.« Wenn sie die Augen schloss, sah sie wieder die Genugtuung, mit der der Indianer die Folter des alten Mannes beobachtet hatte.
»Ja, er hat ihn gehasst.«
»Da steckt mehr hinter als der Betrug Roberts an den Cherokesen, nicht wahr?« Sadayi und Walini hatten Robert auch nicht gemocht, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass den beiden seine Qualen Vergnügen bereitet hätten.
»Meine Mutter
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