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Mein Wille geschehe

Mein Wille geschehe

Titel: Mein Wille geschehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Sloan
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melden?
    Charles Ramsey war so lange als Anwalt tätig,
    wie Dana auf der Welt war, und soweit sie wuss-
    te, galt er als untadelig. Er konnte sich zu einem solchen Schritt nur hinreißen lassen, wenn er das Gefühl hatte, dass sie den Fall verlieren würden, weil es irgendwo nicht mit rechten Dingen zuging.
    Ein anderer Grund wollte ihr nicht einfallen. Seinen Eifer konnte sie zwar verstehen, doch seine
    Handlungsweise war katastrophal.
    Er hatte ein Verbrechen begangen, auf das eine
    Gefängnisstrafe stand, und Dana wusste, dass sie
    es melden musste. Doch konnte sie seinen Ruf
    ruinieren, wenn er aus Leidenschaft gehandelt
    hatte? Und was noch wichtiger war: In welche
    Situation geriet sie, wenn sie ihn meldete? Wenn
    sie Ramsey bloßstellte, würde man den Prozess
    abbrechen müssen, und das war ihr größtes
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    Problem. Sie war insgesamt mit dem Verlauf
    durchaus zufrieden. Dana glaubte, dass sie einen
    großen Teil der Beweise der Anklage untergraben
    hatten, und sie ging davon aus, dass ein Abbruch
    sich für ihren Mandanten eher ungünstig auswir-
    ken würde. Wenn sie andererseits die Sache vor-
    erst auf sich beruhen ließ und ihr Mandant verur-
    teilt wurde, könnte sie dann das Urteil anfechten, indem sie mit dieser Sache herausrückte? Wozu
    war sie verpflichtet? Zu wem sollte sie halten? Ihr Kopf begann zu schmerzen, und einem Impuls
    folgend, griff sie zum Telefon auf dem Tisch ne-
    ben ihr. »Es tut mir wirklich Leid«, sagte sie, als Jefferson Reid sich meldete, »aber ich brauche
    deine Hilfe.«
    »Einen Moment Geduld«, sagte er. Sie hörte ein
    Klicken und wusste, dass er das Gespräch aus
    dem Schlafzimmer in sein Arbeitszimmer umge-
    legt hatte. »Okay«, sagte er, als er sich wieder
    meldete, »was hält dich zu dieser unchristlichen
    Zeit noch wach?«
    Sie erstattete ihm Bericht. Als sie alles geschildert hatte, schwieg er einige Minuten. »Du
    glaubst Corey Latham, oder?«, fragte er. »Ja«,
    bestätigte sie. »Vorbehaltlos.«
    »Dann, fürchte ich, sitzt du zwischen Baum und
    Borke«, sagte er. »Du bist in erster Instanz dem
    Gesetz verpflichtet, nicht deinem Mandanten.
    Immer dem Gesetz. Beeinflussung von Geschwo-
    renen ist nicht nur ein Verbrechen, es bedeutet
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    auch automatisch Abbruch des Prozesses.«
    »Aber das haben wir schon besprochen«, sagte
    sie, »und der Richter hat dagegen entschieden.«
    »Weil er nicht über alle Fakten informiert war«,
    entgegnete Reid. »In jedem Fall wird euer zwei-
    ter Stellvertreter aus der Anwaltskammer ausge-
    schlossen, womöglich bekommt er außerdem eine
    Haftstrafe. Du kannst das nicht für dich behalten.
    Glaub mir, das würde dir schaden. Solche Dinge
    fallen auf einen selbst zurück. Und deine Ein-
    schätzung ist richtig. Es wird vermutlich zum
    Nachteil deines Mandanten sein.«
    »Was ist los?«, fragte Louise Jessup, als sie ihren Gatten im Büro vorfand. Sie war um sieben Uhr
    aufgewacht und hatte festgestellt, dass er gar
    nicht ins Bett gegangen war. »Ich versuche, ir-
    gendwas zu fassen zu kriegen«, antwortete Jes-
    sup und rieb sich die Augen. »Aber es entzieht
    sich.«
    »Hat es was mit der Geschworenenliste zu tun?«
    »Ja«, sagte er und seufzte. »Aber ich komm ein-
    fach nicht drauf.«
    Dana traf bereits um halb neun im Smith Tower
    ein, obwohl sie wusste, dass Paul Cotter selten
    vor neun kam. »O Gott, Sie sehen aber aus, als
    seien Sie unter den Richterhammer gekommen«,
    sagte Angeline Wilder, als Dana hereinkam.
    »Danke für die Blumen«, entgegnete Dana und
    dachte, dass die Rezeptionistin näher an der
    Wahrheit war, als sie ahnen konnte.
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    Sie ging zur Toilette und warf einen Blick in den Spiegel. Dunkle Schatten lagen unter ihren Augen, und ihre Haut sah grau aus. Sie griff nach
    ihrer Handtasche. Wenn ihr Aussehen schon An-
    geline auffiel, würde es auch anderen nicht ent-
    gehen. Mit dem üblichen Make-up war es heute
    nicht getan.
    Zwanzig Minuten nach neun meldete sich Angeli-
    ne auf der Gegensprechanlage. »Mr Cotter ist
    gerade gekommen«, verkündete sie.
    Um halb zehn klopfte Dana an die Tür des Ge-
    schäftsführers. »Kommen Sie rein, kommen Sie
    rein«, sagte er, als er sie sah. »Ich fürchte, wir haben ein Problem«, sagte sie und schloss die
    Tür hinter sich. »Mit dem Fall?«, fragte Cotter.
    »Nicht direkt.« Sie reichte ihm die Akte, die Craig Jessup zusammengestellt hatte.
    »Das sieht nicht gut aus«, sagte er, als er sie ü-
    berflogen hatte. »Ja«, erwiderte Dana. »Ich

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