Mein Wille geschehe
gleich zeigen, wie
unersättlich ich bin«, warnte sie ihn. »Und dann
muss ich wirklich nach Hause.«
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Die Frau des Angeklagten schritt aufrecht und
ohne nach links und rechts zu blicken zum Zeu-
genstand. Sie trug ein hochgeschlossenes blass-
rosa Kleid mit langen Ärmeln, das ihr bis über die Knie reichte. Ihr blondes Haar war mit einer
blassrosa Schleife im Nacken zusammengefasst.
Sie war äußerst dezent geschminkt. Corey sah ihr
sehnsüchtig nach, als sie an ihm vorüberging.
Dana erhob sich und ging auf die Zeugin zu. »Eli-
se«, sagte sie in lockerem Tonfall, »wann haben
Sie und Corey sich kennen gelernt?«
»Im November vor zwei Jahren«, antwortete Eli-
se. »Wann haben Sie sich verlobt?«
»Sechs Wochen später.«
»Und vier Monate danach heirateten Sie?«
»Ja.«
»Wie viel Zeit konnten Sie zwischen Ihrer Hoch-
zeit und Coreys Rückkehr von seiner Patrouille
gemeinsam verbringen?«
Elise zuckte die Achseln. »Etwa fünf Monate.«
»Konnten Sie sich in dieser Zeit gut kennen ler-
nen?«
»Nein, eigentlich nicht«, sagte die junge Frau.
»Jetzt weiß ich mehr und denke, wir hätten min-
destens noch ein Jahr warten sollen mit der
Hochzeit. Aber wir waren verliebt, und das war
alles, was zählte.« Corey lächelte.
»In diesem Prozess wurde von Zeugen ausge-
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sagt, dass Sie im September letzten Jahres eine
Abtreibung vornehmen ließen«, sagte Dana be-
hutsam. »Entspricht das den Tatsachen?«
»Ich bin wahrlich nicht stolz darauf«, antwortete Elise mit einem tiefen Seufzer, »aber es war so.
Ich hatte eine Abtreibung. «
»Würden Sie dem Gericht mitteilen, warum Sie
sich dafür entschieden haben?«
»Ich hatte Angst«, antwortete Elise. »Ich war
ganz auf mich alleine gestellt und mit einem
Mann verheiratet, den ich kaum kannte. Ich
wusste nicht, ob ich schon bereit dafür war, ein
Kind in die Welt zu setzen. Ich sah keine Zu-
kunftsperspektive, nur meine Situation, und die
machte mir Angst.«
»Wovor hatten Sie Angst?«
»Mutter zu werden und überfordert zu sein. Ich
hatte auch Angst, was aus unserer Ehe werden
sollte. Und dass Corey nie da sein würde, wenn
ich ihn brauchte.«
»Und er konnte Ihnen bei dieser Entscheidung
nicht helfen?«
»Das war’s ja gerade, er war wieder mal nicht da.
Und er war eben nicht auf einer Geschäftsreise,
wo ich ihn anrufen konnte. Nein, er war drei Mo-
nate lang auf einem Schiff irgendwo auf dem O-
zean. Und ich konnte nicht nur nicht mit ihm re-
den, sondern ich durfte ihm nicht mal schreiben.
Die blöde Marine verbietet das.«
»Die Marine hat Ihnen nicht gestattet, dass Sie
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mit Ihrem Mann reden oder ihm schreiben konn-
ten, dass Sie sclrwanger sind und seine Hilfe
brauchen?«
»Nein«, antwortete Elise knapp. »So ist das.«
»Sie mussten die Entscheidung also ganz alleine
treffen?« Die junge Frau nickte. »Vielleicht war
sie falsch, ich weiß es nicht«, sagte sie. »Ich weiß nur, dass ich sie alleine treffen musste.«
»Was passierte, als Corey davon erfuhr?«
»Er war wütend. Und ich habe die Lage noch ver-
schlimmert, indem ich ihn angelogen habe. Ich
weiß selbst nicht, warum ich das getan habe. Ich
dachte, es würde alles einfacher machen.«
»Wussten Sie vorher, wie Corey zur Abtreibung
steht?« Elise schüttelte den Kopf. »Ich glaube
nicht, dass wir jemals darüber gesprochen haben.
Wir haben darüber geredet, dass wir eines Tages
Kinder haben wollten, aber nie darüber, dass wir
keine Kinder bekommen wollten.«
»Gut, Corey war also wütend, als er von der Ab-
treibung hörte«, fuhr Dana fort. »Können Sie uns
das näher beschreiben?«
»Zu Anfang konnte er meine Gefühle überhaupt
nicht verstehen«, berichtete Elise. »Er sah nur,
dass ich sein Kind getötet und ein Leben beendet
hatte. Er schrie mich an, er stapfte durchs Haus
und machte einiges kaputt. Aber hauptsächlich
weinte er, und das war das Schlimmste für mich,
ihn so weinen zu hören.«
Corey blinzelte ein paar Mal und wischte sich mit 554
der Hand über die Augen.
»Wie lange blieb die Stimmung so?«
»Zwei Wochen etwa.«
»Und dann?«
»Dann ebbte sein Zorn irgendwie ab, und wir fin-
gen an, miteinander zu reden. Manchmal blieben
wir die ganze Nacht auf und redeten nur.«
»Worüber?«
»Darüber, wie wir diese Situation zusammen
durchstehen konnten«, gab Elise zur Antwort.
»Ob unsere Ehe das aushalten würde.«
»Haben Sie sich Hilfestellung von außen
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