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Mein Wille geschehe

Mein Wille geschehe

Titel: Mein Wille geschehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Sloan
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engagier-
    ter Mensch ist«, antwortete Sheridan. »Für was
    engagierte er sich, Sir?«
    »Für andere Menschen«, sagte der Pfarrer. »Er
    half regelmäßig mit bei unserer Suppenküche für
    Obdachlose. Wenn er nicht im Dienst war, dann
    stand er jedem in der Gemeinde zur Verfügung,
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    der etwas brauchte, ob es nun eine Tischlerarbeit oder ein Fahrdienst war. Die Leute gingen zu ihm, auch einfach nur, um zu reden, weil er immer
    bereitwillig zuhörte. Er half mit bei der Kinder-
    betreuung während der Gottesdienste. Und wenn
    jemand krank war, holte er Medikamente, brach-
    te Essen oder erledigte Botengänge. Er war stets
    hilfsbereit.«
    »Hatten Sie im November des letzten Jahres Ge-
    legenheit, mit Corey und Elise Latham zu spre-
    chen?«
    »Ja«, bestätigte der Pfarrer. »Wir haben uns
    mehrmals getroffen.«
    »Würden Sie dem Gericht mitteilen, wie diese
    Treffen abliefen?«
    »Die Lathams suchten Rat und Unterstützung,
    um den Verlust eines Kindes zu verarbeiten. Fast
    einen Monat lang trafen wir uns zweimal wö-
    chentlich.«
    »Den Verlust eines Kindes, Reverend Sheridan?«,
    fragte Dana nach.
    »Ja. Während Corey zur See fuhr, hatte Elise sich dafür entschieden, ihr gemeinsames Kind abzu-treiben. Es fiel ihnen beiden nicht leicht, mit den Folgen dieser Entscheidung fertig zu werden. Vor
    allem Corey tat sich schwer damit.«
    »Können Sie den Geschworenen sein Verhalten
    während dieser Zeit beschreiben?«
    »Er war verzweifelt, niedergeschlagen, wütend,
    er fühlte sich betrogen. Er reagierte so, wie es
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    unter diesen Umständen normal war.«
    »Einspruch, Euer Ehren«, sagte Brian. »Der Zeu-
    ge suggeriert eine Meinung, indem er das Verhal-
    ten des Angeklagten als normal bezeichnet.«
    »Stattgegeben«, sagte Bendali.
    »Lassen Sie mich die Frage anders formulieren«,
    sagte Dana. »Reverend Sheridan, haben Sie
    schon einmal Menschen beraten, die in derselben
    Situation waren wie Corey und Elise Latham?«
    »Ja«, gab der Pfarrer zur Antwort. »In fünfund-
    zwanzig Jahren zwischen fünfzehn und zwanzig
    Paare, würde ich sagen.«
    »Und können Sie auf Grund Ihrer beratenden Tä-
    tigkeit Verhaltensweisen aufzeigen, die alle Paare an den Tag legen, die ein Kind verloren haben?«
    »Ja. Sie hatten alle Phasen, in denen sie verzweifelt, niedergeschlagen und wütend waren. Und
    einige von ihnen fühlten sich auch betrogen,
    wenn die Situation entsprechend war.«
    »Als Sie also Corey Lathams Verhalten als normal
    bezeichneten, meinten Sie damit, dass es aus
    Ihrer Erfahrung dem Verhalten entsprach, das
    Menschen zeigen, die ein Kind verloren haben?«
    »Ja.«
    »Gut, Reverend«, fuhr Dana fort, »haben Sie bei
    diesen Leuten jemals eine Neigung zu gewalttäti-
    gen Verhaltensweisen festgestellt?«
    »Das muss ich verneinen.«
    »Würden Sie eine solche Neigung erkennen kön-
    nen?«
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    »Ja.«
    »Darf ich Sie fragen, wie?«
    »Ich war früher fünf Jahre lang Gefängnispfarrer
    in der Strafanstalt in Walla Walla. Ich weiß, wie Gewalttätigkeit wirkt, wie sie zu Tage tritt und
    wie man sie entdeckt.«
    »Wenn ich Sie nun fragen würde, ob Ihrem Ein-
    druck nach irgendetwas darauf hinwies, dass Co-
    rey Latham über die Abtreibung und die Lüge
    seiner Frau verzweifelt genug war, um ein Ge-
    bäude voller Menschen in die Luft zu sprengen,
    was würden Sie dann sagen?«
    »Dafür gab es meinem Eindruck nach keinerlei
    Anzeichen«, erklärte Sheridan. »Eher im Gegen-
    teil.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Corey ließ seine Wut nicht an anderen aus, son-
    dern richtete sie gegen sich selbst. Ich denke, er gab sich selbst die Schuld an der Abtreibung.
    Nichts wies daraufhin, dass er Elise oder der Klinik die Schuld daran zuschob.«
    »Aber wir haben hier eine Zeugenaussage gehört,
    nach der Corey mindestens einmal eine laute
    Auseinandersetzung mit seiner Frau hatte, die
    heftig genug war, um auch potenziell zu Tätlich-
    keiten zu führen.«
    »Menschen streiten nun einmal, Mrs McAuliffe«,
    sagte der Pfarrer. »Manchmal schreien sie und
    werfen mit Gegenständen. Meiner Erfahrung nach
    macht man so lediglich seiner Frustration Luft.
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    Das ist häufig sogar gesund und notwendig für
    das Bestehen einer Beziehung. Doch mit einem
    vorsätzlichen Gewaltakt hat das gar nichts zu
    tun.«
    »Ergab sich für Sie während Ihrer Gespräche mit
    den Lathams die Gelegenheit, Corey zur Teilnah-
    me an einer Selbsthilfegruppe zu raten?«
    »Ja, das habe ich getan. Diese Gruppe wird nicht
    von

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